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Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen
Autoren: Armin Krenz
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Spielzeugschuppens. Beide schauten lachend herunter. Die äußerst positive Reaktion von Pias Familie wirkte beflügelnd.
    In der großen Teamrunde überlegten wir, ob diese Idee nicht als Standard in die Konzeption einfließen könne. Alle Kinder bekämen schon vor der Aufnahme einen persönlichen Brief nach Hause geschickt. Mit einigen warmherzig formulierten Zeilen und einem gemalten Kinderbild wollten wir die Familien schon im Vorfeld wohlwollend auf die künftige Zusammenarbeit einstimmen.
    Weitere Standards, die das soziale Miteinander fördern, bereicherten unsere pädagogische Arbeit und wurden in die Konzeption aufgenommen. Die älteren Kinder wurden verstärkt bei der liebevollen Betreuung der Krippenkinder mit einbezogen. Nicht nur im Sternchenzimmer halfen sie beim Streicheln, auch beim Füttern der Jüngsten übernahmen sie Verantwortung. Klar, dass die Regeln im Vorfeld besprochen wurden und die Kinder immer eine Erzieherin zur Seite hatten.
    Große und kleine Leute waren gepackt von dem Gedanken und es kamen immer wieder neue Ideen und Anregungen hinzu: Spielsachen wurden für die Kleinen gebaut, Kistenbuden zum Reinkriechen gebastelt, Matschecken angelegt. Anton war immer mittendrin. Er war der Chef und Bestimmer. Er wusste, was zu tun war und wie man die Kleinen tröstet, wenn die Mama ging, wie man sie füttert und sanft in den Schlaf streichelt. Ja, so war er, unser Anton – und manches Kind wollte ein wenig so sein wie er, so klug, so stark, so voller Ideen und Tatendrang.
    Nachsatz: In der 4. Klasse wurde Anton von seinen Klassenkameraden zum Konfliktberater gewählt.
    Nimm ein Kind an die Hand und lass dich von ihm führen.
Betrachte die Steine, die es aufhebt, und höre zu,
was es dir erzählt.
Zur Belohnung zeigt es dir eine Welt,
die du längst vergessen hast.
    Unbekannter Verfasser
    * Anmerkung des Autors: Antons Verhalten – angefangen von seiner ungestümen Bewegungsfreude bis hin zu einem stark vorhandenen Aggressionspotenzial – ist eine typische Ausdrucksform für Kinder, die sich entweder stark überfordert oder unterfordert fühlen. Das kann sich auf einzelne, ganz bestimmte Überforderungssituationen oder ganz allgemeine Umstände beziehen. Anton wird von allen Kindern in der Gruppe als Außenseiter etikettiert und entsprechend behandelt. Damit befindet er sich in einer Ohnmachtssituation, weil ihm keine Chance gegeben wird, aus dieser Rolle herauszukommen. Gerade bei Jungen zeigen sich solche Ohnmachtserfahrungen in einem – wenn auch sozial untauglichen – Umkehrschluss, dass diese mit entsprechender »Macht« ihre Außenseiterstellung verändern wollen. Damit ist ein nahezu unauflösbarer Teufelskreis in Gang gesetzt!

Verhalten ist kein Zufall
    Solange ich meine Individualität nicht entdecke, kann ich keine Beziehung eingehen.
    Oskar Wilde
    Jeder Mensch baut im Laufe seines Lebens seine individuelle, unverwechselbare Persönlichkeit auf. Diese Besonderheiten einer Person sind nicht angeboren und in einer bestimmten Art und Weise genetisch festgelegt. Vielmehr ergeben sich die individuellen Merkmale des Einzelnen aus einer ungezählten Aneinanderreihung von Erfahrungen, denen der Mensch im Laufe seines gesamten Lebens ausgesetzt ist und die er (unterbewusst) als bedeutungsvoll für sich einordnet. Bedeutungsvoll heißt, dass der Mensch durch bestimmte Erfahrungen be-ein-druck-t ist.
    Das gesamte Leben eines Menschen wird durch direkte und indirekte Erfahrungen, Erlebnisse, Eindrücke und Geschehnisse beeinflusst, die entsprechende Spuren hinterlassen und Auswirkungen auf die Persönlichkeitsbildung haben – ob erwünscht oder unerwünscht, gemocht oder gehasst, herbeigesehnt oder abgewehrt. All das spielt dabei keine Rolle. Vielmehr registriert unser Gehirn alle bedeutsamen Wahrnehmungen, die mit Glück oder Unglück, Zufriedenheit und Unzufriedenheit verbunden sind und dabei emotional angenehme oder emotional unangenehme Gefühle auslösen.
    In der aktuellen Entwicklungspsychologie (Hasselhorn 2007; Oerter 2008; Wicki 2010) geht man davon aus, dass die individuelle Entwicklung des Menschen sowohl vom ganz persönlichen, individuellen Kontext (also den Einflüssen der Eltern, der frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsinstitutionen, der Freunde, der Schule ...) als auch von den kulturellen Gegebenheiten einer Gesellschaft beeinflusst und damit geprägt wird. (Unter wissenschaftlicher Betrachtung wird in diesem Zusammenhang zwischen »proximalen Faktoren« – also
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