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Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen
Autoren: Armin Krenz
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dann nicht! (Seine Worte)
Das Kind wird am Arm, an der Schulter, am Hinterkopf oder am Rücken zart gestreichelt. Anton fragt das Kind, wo es gerne gestreichelt werden möchte.
Sobald das Kind zeigt, dass es nicht mehr gestreichelt werden möchte, hört Anton sofort auf.
Wenn das Kind eingeschlafen ist oder Anton nicht mehr streicheln möchte, kann er leise hinausgehen.
Anton kann immer Nein sagen, wenn er wieder gefragt wird, ob er im Sternchenzimmer helfen möchte.
    Ich ahnte, dass Anton sich irgendwann auf meinen Wunsch einlassen würde. Mir war wichtig, dass er dieses Streichelerlebnis als etwas Besonderes empfand und er im Vorfeld keinen Rückzieher mehr macht. Meine Gedanken entwickelten die schöne Idee, für Anton zum Händewaschen eine Blechdose mit ganz besonderen Duftseifen und einer bunten Nagelbürste zu füllen. Da gab es eine Seife, die nach Rosen duftete, eine andere nach Zitrone, sogar eine mit Erdbeerduft konnte ich auftreiben. Auch für eine Pfirsichseife in Herzchenform und eine nach Gewürzen duftende, schokoladenfarbige »Männerseife« bot die Dose Platz. Anton durfte entscheiden, mit welcher Seife er sich seine Hände waschen wollte. Ich werde nie den Anblick vergessen, wie versunken Anton alle Seifen beschnupperte und sich viel Zeit ließ, um sich dann für eine zu entscheiden. Die coole Männerseife sollte es sein.
    Mit geschrubbten, nach Gewürzen duftenden Händen tastete Anton sich leise durch den Schlafraum und hielt zögernd nach einem geeigneten Kind Ausschau. Die kleine Emely wurde erwählt, und wie zuvor besprochen, fragte er sie flüsternd, ob er sie ganz vorsichtig streicheln dürfe. Da es in der Kita üblich war, dass die Kinder von den Erzieherinnen täglich in den Schlaf gestreichelt wurden, war dies für Emely keine völlig ungewohnte Situation. Und so machte es sich Anton neben ihr auf der Matratze bequem und bewegte seine Finger zunächst sehr zaghaft auf ihrer Schulter. Emely schien es zu gefallen, zunächst schaute sie Anton mit großen Augen an, bevor sie dann tatsächlich während des Streichelns in den Schlaf sank. Anton blieb noch ein wenig auf der Matratze liegen und schlich dann hinaus.
    Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich gedanklich wieder ganz nah bei Anton und noch heute seltsam berührt, wenn ich an die darauffolgenden Wochen denke. Anton entwickelte in kleinen Schritten ein Verantwortungsbewusstsein und erlebte, dass seine »Würgerhände« etwas Wunderbares bewirken konnten. Ein zaghafter Prozess war zu beobachten. Anton wurde vom Würger zum Streichler. Die Kinder verloren ihre Angst vor ihm und schon bald gehörte die Bezeichnung »Würger« der Vergangenheit an. Der Teufelskreis war durchbrochen.
    Häufig kam Anton jetzt zu Emely ins Sternchenzimmer, und auch andere Kinder bekundeten ihr Interesse und wollten ebenfalls Kleine in den Schlaf streicheln. So gab es dann kurz darauf einen »Streicheldienst«. Bis zu drei Kinder konnten täglich die Erzieherinnen beim Einschlafstreicheln unterstützen. Dazu hing eine Liste an der Wand, in die sich die Kinder eintragen konnten. Auch mit ihnen wurden zuvor die Regeln besprochen, und natürlich genossen es alle Kinder, aus der Blechdose ihre ganz besondere Duftseife auszuwählen. Dieser Akt wurde schon bald zu einer Zeremonie, zu einem Genuss, der den Kindern nicht nur sinnliche Düfte bescherte, sondern auch eine Wertschätzung erleben ließ.
    Eines Tages saßen Anton und ich wieder auf der Buschbank zusammen und ich erzählte ihm von der kleinen Pia, die nun bald zu uns in die Krippe komme. »In den ersten Tagen bleibt die Mama noch bei der Pia, bis die Kleine sich an die Erzieherinnen gewöhnt hat. Dann kommt der Tag, an dem Pia eine Zeit lang ohne Mama in der Krippe bleibt. Hoffentlich wird sie dann nicht allzu traurig sein«, äußerte ich meine Bedenken und weckte damit Antons Interesse. Er könne sich ja ein bisschen um Pia kümmern, war seine spontane Reaktion. Seine Freunde würden bestimmt auch mitmachen. Sie könnten die Kleine im Puppenwagen durch den Garten schieben und sie auch mal mit aufs Häuschendach nehmen. Ob sie denn wohl schon ein wenig klettern könne?
    Im Verlauf des Gesprächs entwickelte sich eine schöne Idee. Pia sollte einen Brief von Anton bekommen, damit sie sich auf den Kindergarten freut und nicht weint, wenn sie alleine dableiben muss. Er wolle auch noch ein gemaltes Bild für Pia mit in den Umschlag stecken. Anton malte sich mit Pia hoch oben auf dem Dach des
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