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[kinder] Allein unter Superhelden

[kinder] Allein unter Superhelden

Titel: [kinder] Allein unter Superhelden
Autoren: Heiko Wolz
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genommen. Die Reflektoren habe ich mit Edding übermalt. Ich habe sowieso nie verstanden, warum Mama die nachträglich aufgenäht hat – nur bei mir.

    Soll ich etwa zur streng bewachten Zentrale von The Brain kriechen, dort lautlos die Wachen ausschalten und den Oberschurken entführen – und damit mich dabei ja kein Autofahrer übersieht, pappen hundert Katzenaugen an mir?!
    »Heute Mittag gibt es Schokopudding als Nachtisch«, verkündet Mama. Sie stellt eine Schüssel neben den Herd.
    Genial!
    Erstens werde ich meinen megatollen Racheplan in der Pause umsetzen und zweitens machen sich schon die Vorbereitungen dafür bezahlt.
    So muss das laufen.
    Laura ploppt zwischen Kühlschrank und Tisch hin und her, Papa röstet sich mit Laserblick eine Scheibe Toast.
    »Mama und ich haben gleich eine oberwichtige Besprechung in der Zentrale«, sagt er.
    Wenn die Superhelden sich zu einer oberwichtigen Besprechung in der Zentrale treffen, bedeutet das: Ihnen ist langweilig. Weil sie alle Verbrecher eingebuchtet haben. Dann hecken sie die verrücktesten Sachen aus und am Ende kommt ein Superhelden-Fußballturnier zustande, zu dem Papa mich als Ersatzmann einteilt. Total daneben halt.
    »Kannst du Leon mit in die Schule nehmen?« Die Frage geht an Laura.
    So, wie sie Papa anschaut, findet sie die Idee genauso beknackt wie ich. Papa ist aber schon fertig mit dem Frühstück und IceMadam kühlt den Pudding in Rekordzeit. Unsere Proteste prallen am verständnisvollen Grinsen der beiden ab wie die Schüsse aus einer Strahlenkanone an einem Schutzschild.
    Da entmachten sie gemeine Herrscher und führen sich zu Hause nicht anders auf! Und dann glauben sie, dass dieKüsschen uns beschwichtigen, die sie Laura und mir auf die Stirn drücken, bevor sie verschwinden.
    Aber ich werde mir das merken, und sobald ich meine Superkraft an Marvin getestet habe, setze ich sie ohne Zögern ein, wenn es wieder dicke kommt.
    »Die meinen echt, ich bin dein Babysitter!« Laura übt schon wieder für den Vorsitz im Klub der genervt schauenden Mädchen.
    Sie streckt die Hand nach mir aus. Klar, die will das hinter sich bringen. Ich auch.
    »In Ordnung«, sage ich. »Aber mach schnell, Zimmer 101.«
    Laura reißt die Augen auf. »Bei dir hakt es wohl?! Ich setze dich ab, wo es mir ...« Ihre Stimme wird auf einmal zuckersüß. »101 hast du gesagt? Natürlich, wird gemacht.«
    Plopp!
    Eine weiße Tür, weiße Wände und ein weißes Klo drehen sich um mich. In meinem Mund sammelt sich Spucke.
    Wir sind eindeutig nicht in meinem Klassenzimmer.
    Wir sind auf der Schultoilette.
    »Sehr witzig, Laura.« Ich ziehe die Tür auf. Und knalle sie wieder zu.
    »DA SIND KEINE PINKELBECKEN!«
    »Ich spaziere doch nicht aus der Jungentoilette, Leon. Da mache ich mich ja total lächerlich.«
    »Du musst nirgends rausspazieren. Du kannst einfach abhauen. Aber ich ...«
    »Daran habe ich gar nicht gedacht. Danke.«
    Natürlich hat sie daran gedacht. Und natürlich zögert sie keine Sekunde.
    Plopp! , weg ist sie.
    Und ich bin allein.
    Auf dem Mädchenklo.
    Vom Flur her höre ich Stimmen.
    Da kommt jemand!
    Mann, warum können Mädchen nicht zu Hause auf die Toilette gehen, bevor sie sich auf den Weg in die Schule machen?
    Und wieso haben Klokabinen keine Vorhängeschlösser, sondern nur winzige Plastikriegel? Wo sind die Eisenketten, die einen unschuldigen Jungen schützen, dessen Hexen-Schwester ihn sein Leben lang leiden sehen will?!
    Ich bete, dass das Mädchen, dessen Plätschern ich nebenan höre, keine Fähigkeiten hat wie Papa Ray und mal eben einen Röntgenblick zu mir herüberwirft.
    Endlich ist sie fertig und verschwindet mit ihren Freundinnen. Ich lausche nach draußen. Niemand da. Vorsichtig schlüpfe ich in meinem nachtschwarzen Anzug aus der Kabine und werfe einen Blick auf den Flur. Auch leer. Schnell gehe ich hinter einem Pfeiler in Deckung.
    Der menschliche Schatten ist in Aktion!
    Dass ich gerade schon locker an dem Mädchen hätte vorbeispazieren können, ohne dass sie es bemerkt hätte, fällt mir natürlich erst jetzt ein. An mein neues Dasein als Superheld muss ich mich echt noch gewöhnen.
    Vor dem Klassenzimmer gebe ich meine Tarnung auf. Dr. Schröder schaut verwundert, als ich in meinem engen Einteiler hereinspaziere, und auch Solar guckt während des Unterrichts immer wieder verstohlen zu mir. Aber bis zur großen Pause lassen mich alle in Ruhe und ich kann unbeobachtet in die Cafeteria schleichen.
    Ich drücke mich an die Wand und folge
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