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Kind der Sünde (German Edition)

Kind der Sünde (German Edition)

Titel: Kind der Sünde (German Edition)
Autoren: Eve Silver
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ganzen Häuserblock weit weg standen? „Du bist anders als früher“, stellte sie fest.
    „Ja, das stimmt“, erwiderte er knapp. Er hatte keine Lust, irgendwelche Erklärungen abzugeben. Trotzdem fragte er sich, ob er nicht einen leicht wehmütigen Unterton bei ihr vernommen hatte.
    Wieder nahm er ihren Arm und zog sie auf die andere Seite des Dachs, die oberhalb der Straße an der Rückseite des Nachtclubs lag.
    „Wie sollen wir denn hier runterkommen? Hier gibt es keine Treppe.“ Ambers Stimme verriet einen Anflug von Panik.
    „Brauchen wir auch nicht“, erklärte Kai trocken. Ohne Vorwarnung umfasste er sie mit beiden Armen, hob sie hoch und sprang mit ihr hinunter. Ihren Aufschrei erstickte er, indem er ihr den Kopf gegen seine Schulter drückte.
    „Es waren doch nur zwei Stockwerke“, sagte er, nachdem sie gelandet waren. „Das ist für mich ein Kinderspiel.“ Er vergewisserte sich, dass sie wieder sicher auf dem Boden stand, und zeigte dann die Straße hinunter. „Da lang.“ Nicht ohne eine gewisse Anerkennung registrierte er, dass Amber sich vom ersten Schrecken abgesehen kaum beeindruckt zeigte.
    Für weitere Überlegungen blieb ihm jetzt keine Zeit. Er fing an zu laufen, und wenn Amber nicht schnell genug hinterherkam, nahm er sie bei der Hand und zerrte sie weiter. Er brauchte sich gar nicht umzuschauen, um nachzusehen. Er wusste auch so, dass die anderen ihnen folgten. Er spürte es. Und Amber schien es auch zu spüren. Jedenfalls rannte sie, so schnell sie konnte.
    Vor dem Seiteneingang eines Parkhauses machte Kai halt. Er riss die Tür auf. „Los, rauf!“, befahl er.
    Amber nahm zwei Stufen auf einmal. Kai blieb dicht hinter ihr, überholt sie dann, öffnete die Tür zum Parkdeck P3 und schob Amber hindurch. Das leuchtende Band, das die Schwarze Seele hielt, straffte sich. Kai schob den trägen Ballon weg, während Amber einen misstrauischen Seitenblick auf das Ding warf. Er hatte noch vierundzwanzig Stunden Zeit, um die Schwarze Seele und das Herz in der Unterwelt abzuliefern. Aber dorthin konnte er Amber nicht mitnehmen, und im Moment konnte er sie auch nicht allein lassen.
    Nachdem sie um die Ecke des Treppenhauses gebogen waren, blieb Amber abrupt stehen, als sie ein Cabrio vor sich erblickte. „Das ist eine …“
    „… Corvette, Baujahr 1960, in erstklassigem Zustand“, ergänzte er. In ihrer gemeinsamen Zeit früher war es sein Traumauto gewesen. Er hätte alles darum gegeben, es sich eines Tages leisten zu können. Kai erinnerte sich noch gut an seinen Geburtstag, an dem Amber ihn mit einer selbst gebastelten Glückwunschkarte überrascht hatte. Sie hatte das Foto von einer solchen Corvette aus einer Zeitschrift ausgeschnitten und aufgeklebt.
    „Man scheint ja nicht schlecht zu verdienen als Seelensammler“, bemerkte sie.
    Kai öffnete für sie die Beifahrertür. „Die Leute, die ich töte und deren Schwarze Seelen ich Sutekh zum Fraß vorwerfe, sind ausnahmslos die miesesten Charaktere, die du dir vorstellen kannst.“ Er lächelte und schob den Lederbeutel, in dem er das Herz verstaut hatte, unter ihren Sitz, ohne den Blick von ihr zu wenden. „Manchmal, wenn einer von ihnen keine Erben hat, steht es mir frei, mich zu bedienen.“ Er beugte sich über sie.
    Amber hielt für einen Augenblick den Atem an und hob abwehrend die Hände. Aber als sie merkte, dass er ihr nur den Sicherheitsgurt anlegte, errötete sie verschämt.
    Kai quittierte es mit einem Lächeln. „Ich bin gut in meinem Job. Und die Vergütung ist nicht schlecht.“
    Das war die reine Wahrheit. Was er nicht erwähnte, war, dass er in der Hierarchie der Seelensammler nicht besonders hoch stand und seine Existenz davon abhing, ob er sein Soll erfüllte. Es war eine Existenz auf des Messers Schneide, aber er hatte sich damit abgefunden und war mit dem Druck gewachsen. Immer unter Strom – das mochte er sowieso. Kai vermutete, dass es seinen „Kollegen“ nicht anders ging.
    Ohne zu überlegen, fuhr er mit dem Kopf herum. Das Aufheulen eines starken Motors und das Quietschen von Reifen waren zu hören. Es war Zeit zu verschwinden.
    Hastig warf er Ambers Tür zu. Schon in der nächsten Sekunde saß er neben ihr hinter dem Steuer und startete den Motor. Kaum hatten sie die Ausfahrt erreicht, die spiralförmig nach unten führte, näherte sich ihnen mit hoher Geschwindigkeit ein Ungeheuer von einem Geländewagen, ein schwarzer Hummer.

3. KAPITEL
    Amber krallte sich an ihrem Sitz fest, als Kai in rasendem Tempo
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