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Kind der Sünde (German Edition)

Kind der Sünde (German Edition)

Titel: Kind der Sünde (German Edition)
Autoren: Eve Silver
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hast.“
    Klang er jetzt verletzt, oder hatte Amber sich verhört? Sie wunderte sich. Und sie schämte sich auch, denn tatsächlich hatte sie ihn früher oft genug belogen.
    „Nun sag schon. Wann bist du geboren worden?“ Kai ließ nicht locker.
    „Vor über hundert Jahren“, gab sie schließlich zu. Sie konnte ihn nicht die ganze Zeit hinhalten, schon gar nicht, wenn sie von ihm noch etwas in Erfahrung bringen wollte. Außerdem verschaffte es ihr eine gewisse Erleichterung, jemandem zur Abwechslung einmal die Wahrheit zu sagen, selbst wenn die Informationen nicht besonders wichtig waren.
    „Das heißt, als wir zusammen gewesen sind …“
    Amber unterbrach ihn: „Ich habe aufgehört zu altern, als ich fünfundzwanzig war. Vielleicht auch schon früher. Jedenfalls ist mir in dem Alter aufgefallen, dass sich mein Körper nicht mehr veränderte. Meine Haut blieb glatt, wie sie war, und ich bekam nicht das kleinste Fältchen. Gar nichts.“
    „Und woher willst du wissen, dass sie dich schon seit deiner Geburt jagen?“ Kai schaute immer wieder in den Rückspiegel, schien aber nichts Besorgniserregendes zu entdecken. Amber wollte sich selbst vergewissern und drehte den Kopf nach hinten. Keine Spur von dem Hummer.
    Während sie nach hinten blickte, fragte sie sich, wie offen sie Kai gegenüber sein sollte. Konnte sie ihm alles erzählen? Tja, da ich einmal angefangen habe, wäre es albern, den Rest für mich zu behalten, beschloss sie.
    „Meine Mutter hat mir erzählt, dass wir, als ich noch klein war, ständig von einem Ort zum anderen gezogen sind.“ Endlich darüber zu sprechen fühlte sich so gut an. Es war so leicht, Kai das alles anzuvertrauen. Amber berichtete von ihrer Mutter, ihren Verfolgern und der ewigen Angst davor, ihnen in die Hände zu fallen, weil das, was dann mit ihr geschehen würde, schlimmer wäre als der Tod. Auch die drei Tode, sie sie schon gestorben war, verschwieg sie ihm nicht. Stattdessen schilderte sie Kai, wie sie nach ihrem zweiten in einem Leichenschauhaus unter einem Tuch auf einem kalten Metalltisch aufgewacht war, rings umgeben von Leichen. Damals hatte sie ein Entsetzen befallen, das sie niemals losgelassen hatte.
    Sie schenkte ihm reinen Wein ein, weil sie ihm vertraute oder wenigstens doch vertrauen wollte. Und weil sie wollte, dass er ihr vertraute und sein Wissen mit ihr teilte.
    Als sie am Ende ihres Berichts angekommen war, hatten sie gerade die Außenbezirke von San Francisco hinter sich gelassen. Kai hatte sie kein einziges Mal unterbrochen, sondern aufmerksam zugehört.
    Als sie schließlich schwieg, meinte er: „Du hättest mir das früher schon erzählen sollen.“
    „Ach ja? Und dann? Hättest du mir denn ein Wort davon geglaubt? Du hättest mich doch für total verrückt erklärt. Oder hättest gedacht, ich stünde unter Drogen oder was weiß ich noch.“
    Daraufhin erwiderte er nichts.
    Amber merkte, dass er über ihren Einwand nachdachte. Und plötzlich beschlich sie ein unbehagliches Gefühl. Wieder drehte sie sich um und bemerkte weit hinter ihnen ein Paar Scheinwerfer, die sich ihnen in schnellem Tempo näherten. Kai nahm den Fuß vom Gas und drosselte die Geschwindigkeit.
    „Was tust du?“, fuhr sie ihn an. „Wir müssen sehen, dass wir wegkommen.“
    „Das ist doch langweilig. Wo liegt da die Herausforderung?“
    „Herausforderung? Was denkst du, was das ist? Ein Spiel?“
    „Das ganze Leben ist ein Spiel, Amber. Es dreht sich doch alles um den Nervenkitzel, den es verschafft.“
    Amber schwieg. Der Kai, den sie gekannt hatte, hätte so einen Spruch nicht gebracht. Der Kai von früher war von Grund auf solide gewesen, rational, verlässlich, ein Fels in der Brandung. Dennoch konnte Amber nicht leugnen, dass ihr dieser neue Zug an ihm gefiel. Was war bloß los mit ihr?
    „Wie stellst du dir das denn vor?“, protestierte sie. „Du bringst mich um all meine Waffen. Soll ich mich jetzt darauf verlassen, dass du mich beschützt?“
    Er lachte. Es war ein unbeschwertes, ungezwungenes Lachen, das sie auf eine unbestimmte Weise berührte. „Dass ich jemanden beschützt habe, muss Ewigkeiten her sein. Aber warum nicht? Mal was anderes.“
    Seine dunklen Augen funkelten, als er sie ansah. Dann hatte er ein Einsehen. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf das Handschuhfach vor ihr. „Hinter der Klappe ist ein Messer, wenn dich das beruhigt.“
    Amber klappte das Fach auf und griff nach dem Dolch. Er war alt, hatte einen mit aufwendigen Gravuren verzierten
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