Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind der Sünde (German Edition)

Kind der Sünde (German Edition)

Titel: Kind der Sünde (German Edition)
Autoren: Eve Silver
Vom Netzwerk:
unterhält sein eigenes Fußvolk auf der Oberwelt.“
    „Fußvolk wie die da?“, fragte Amber und zeigte auf die am Boden Liegenden.
    „Genau. Sie kümmern sich um die verschiedenen Unternehmungen ihrer jeweiligen Chefs. Dass sind Prostitution, Drogen, Immobilienschiebereien, Waffenhandel, kurz: alles, was Geld bringt. Worum es aber letztlich allein geht, sind die Seelen. Sie sind sozusagen die harte Währung in der Unterwelt. Und die ganzen Geschäfte sind lediglich Mittel zum Zweck, um an die Seelen zu kommen. Dabei gilt allerdings als ungeschriebenes Gesetz, dass die Seelen, die anderen Gottheiten gehören, tabu sind.“
    „Aber seine Seele hast du doch genommen.“ Amber wies mit dem Kinn auf die Wolke neben ihm.
    „Auf ihn hat Sutekh die älteren Rechte. Ich hatte den Auftrag, seine Seele zu holen.“ Außerdem sollte er herausfinden, was Asmodeus mit seinen Leuten in San Francisco vorhatte. Bisher hatte Kai angenommen, nur den ersten Teil der Aufgabe erledigt zu haben. Doch inzwischen hatte er ein immer klareres Bild von Asmodeus’ Absichten. Es ging ganz offensichtlich um Amber, und das brachte Kai in arge Verlegenheit.
    Er folgte Ambers Blick, während sie nachdenklich die Corvette betrachtete, die jetzt irgendwie einem halb zerquetschten Käfer ähnelte. Ein Bild des Jammers.
    „Und was nun?“, wollte Amber wissen.
    Das war eine verfängliche Frage, und Kai hielt es nicht für angeraten, sie geradeheraus zu beantworten. Er wechselte lieber das Thema. „Warum hast du mich nach Pfeiffer Beach bestellt? In der Nacht, in der ich sterben musste?“
    „Ich habe dich nirgendwo hinbestellt.“
    „Ich habe nach dir gesucht“, erklärte er, wobei er mehr verriet, als er beabsichtigt hatte. „Die Uhren in der Unterwelt gehen anders. Erst nach Monaten konnte ich in die Oberwelt zurückkehren, aber da warst du wie vom Erdboden verschluckt. Alles, was zu dir gehört hatte, war verschwunden – bis hin zu deinen Kleidern und deiner Zahnbürste. Keine Spur, nicht einmal ein Staubkorn hat auf deine Existenz hingewiesen. Ich war nahe daran, zu glauben, dass ich mir die Monate mit dir nur eingebildet hatte.“
    „Die Spuren habe ich absichtlich verwischt. Ich wollte nichts hinterlassen, das die Verfolger auf meine Fährte hätte setzen können.“
    „Warum hast du mich denn nun nach Pfeiffer Beach kommen lassen?“
    „Das habe ich doch nicht!“
    „Es war deine Schrift auf meinem Badezimmerspiegel. Geschrieben mit deinem Lippenstift.“
    Amber schüttelte betrübt den Kopf. „Und deshalb hast du gedacht, dass ich es war?“ Sie schwieg eine Weile nachdenklich. „Und ich war überzeugt, du hättest mich zum Coit Tower bestellt.“ Sie klang ein wenig kleinlaut und verbittert.
    „Hab ich nicht.“ Er blickte ihr geradewegs in die Augen. Er wollte ihr klarmachen, dass er die Wahrheit sagte.
    „Du hast mir Rosen geschickt. Und auf der Karte, die darin steckte, stand ’Coit Tower um Mitternacht’.“
    „Rosen?“ Kai konnte es nicht glauben. Es war so lächerlich. Hatte sie ihn tatsächlich so wenig gekannt? Rosen! „Das darf doch nicht wahr sein! All die Jahre hast du im Ernst angekommen, ich hätte dich mit blödsinnigen Rosen zum Coit Tower gelockt? Was ist denn da passiert?“
    „Das musst du doch am besten wissen! Sie waren da. Sie haben mich erwartet, und ich konnte nur mit knapper Not entkommen.“
    „Und du denkst, ich hätte das eingefädelt?“
    „Du denkst ja auch, ich hätte dich nach Pfeiffer Beach geschickt.“
    Stimmt. Der Punkt geht an sie, dachte er, während er sich von dem Anblick ihrer schönen braunen Augen nicht losreißen konnte, in denen sich jetzt der ganze Schmerz und die Enttäuschung widerspiegelten, die sich in der langen Zeit angesammelt hatten.
    „Nein“, antwortete er mit Bestimmtheit. Es fiel ihm nicht leicht, aber in einem wahren Kraftakt gelang es ihm, die Bitterkeit der vergangenen Jahre hinter sich zu lassen. „Jetzt glaube ich das nicht mehr.“
    Amber öffnete den Mund, wollte offenbar etwas sagen, aber die Stimme versagte ihr. Sie sah ihn nur an.
    Kai schüttelte den Kopf. „Ich hätte dir doch keine Rosen geschickt. Du hast von mir nie andere Blumen bekommen als Margeriten.“ Sie sagte noch immer nichts, aber er merkte, dass sie das überzeugte.
    Gerade wollte er die Hand nach ihr ausstrecken, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. Etwas regte sich in der Dunkelheit. Die Luft vibrierte und war wie elektrisch aufgeladen, sodass er es körperlich spürte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher