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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf
Autoren: Jules Verne
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Kanonenschusse! wiederholte zum letzten Male der Türke, der die Pfeife in einer Falte seines Kaftans verschwinden ließ.
    – Komm’, Bruno, redete Van Mitten diesem zu, man darf die Sitten eines Landes, das man besucht, nicht verletzen.
    – Die Sitten von Straßenräubern!
    – Komm, sag’ ich Dir. Mein Freund Keraban wird vor sieben Uhr nicht auf diesem Platze sein. Wir wollen unseren Spaziergang fortsetzen und ihn zu finden suchen, wenn es dazu Zeit ist.«
    Van Mitten zog Bruno mit sich fort, der sehr ärgerlich war, so mir nichts dir nichts einer Pfeife beraubt worden zu sein, die er als Raucher besonders schätzte.
    Und während sie weggingen, sagten die beiden Türken zu einander:
    »Wahrlich, diese Fremden glauben sich Alles gestatten zu dürfen!…
    – Aber auch vor Sonnenuntergang zu rauchen!
    – Willst Du Feuer? fragte der Eine, eine neue Cigarette anzündend.
    – Ja, gern!« antwortete der Andere.
Zweites Capitel.
Wo der Intendant Scarpante und der Capitän Yarhud sich von Projecten unterhalten, deren Kenntniß für den Leser von Wichtigkeit ist.
    Als Van Mitten und Bruno so am Quai von Top-Hane hinschlenderten und sich eben an der ersten Schiffsbrücke der Sultanin Valide befanden, welche Galata quer über das Goldene Horn mit dem alten Stambul in Verbindung setzt, kam ein Türke um die Ecke der Moschee Mahmud’s und blieb dann auf dem Platze stehen.
    Es war jetzt um sechs Uhr. Zum vierten Male im Laufe des Tages hatten die Muezzins die Gallerie jener Minarete erstiegen, deren jede von einem Kaiser gestiftete Moschee wenigstens vier hat. Feierlich erklang über der Stadt ihre Stimme, während sie die Gläubigen zum Gebete riefen und in’s Freie ertönen ließen: »
La Ilah il Allah ve Mohammed reconl Allah
« (Es giebt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Prophet!)
    Der Türke sah sich vorsichtig um, faßte die wenigen Leute auf dem Platze scharf in’s Auge und ging dann in der Achse einer der verschiedenen, hier mündenden Straßen weiter; offenbar bemühte er sich, unter deutlichen Zeichen von Ungeduld, zu sehen, ob nicht eine von ihm erwartete Person käme.
    »Dieser Yarhud stellt sich auch niemals rechtzeitig ein, murmelte er, und weiß doch, daß er zur bestimmten Zeit hier sein soll!«
    Noch mehrmals ging der Türke um den Platz herum, entfernte sich sogar bis zur nördlichen Ecke der Kaserne von Top-Hane, blickte in der Richtung der Kanonengießerei hinaus, stampfte mit dem Fuße, wie einer der ungern wartet, und kam endlich zurück bis nach dem Café, wo Van Mitten und sein Diener vergeblich eine Erfrischung zu erhalten versucht hatten.
    Hier nahm der Türke ungenirt an einem der Tische Platz, ohne nach dem Cavadji zu verlangen; als gewissenhafter Beobachter der Fasten des Ramadan wußte er, daß die Stunde, von welcher ab die so verschiedenen Getränke der ottomanischen Destillation verabreicht werden, noch nicht gekommen war.
    Dieser Türke war kein Anderer, als Scarpante, der Intendant des reichen Herrn Saffar, eines Ottomanen, der in Trapezunt, d. h. in dem Theil der asiatischen Türkei wohnte, welcher das südliche Ufer des Schwarzen Meeres bildet.
    Eben jetzt bereiste Herr Saffar die südlichen Provinzen Rußlands; nach einem Besuche der Kaukasusländer gedachte er dann nach Trapezunt zurückzukehren, in der sicheren Erwartung, daß sein Intendant eine ihm aufgetragene Unternehmung inzwischen mit günstigem Erfolge werde ausgeführt haben. In seinem Palaste, der in der ganzen Pracht orientalischen Luxus’ glänzte, in jener Stadt, wo man seine Equipagen allgemein bewunderte, sollte Scarpante nach Durchführung seiner Mission ihn wieder treffen. Herr Saffar hätte nie zugestanden, daß ein Mann, dem er befohlen, etwas zu thun, dabei einen Mißerfolg haben könne. Er liebte es, die Allmacht, welche ihm sein Reichthum verlieh, auf die schwierigsten Proben zu stellen, und verfuhr gewöhnlich mit jener Ostentation, welche den Nabobs Kleinasiens gleich im Blute zu liegen scheint.
    Jener Intendant, ein waghalsiger Mann und als solcher zu jedem Handstreich bereit und vor keinem Hinderniß zurückschreckend, war stets entschlossen,
per fas et nefas
, auch die kleinsten Wünsche seines Herrn zu befriedigen. Aus ähnlicher Absicht traf er auch heute in Constantinopel ein und erwartete er an verabredeter Stelle einen gewissen, maltesischen Capitän, der seiner nach allen Seiten würdig war.
    Dieser Capitän, Namens Yarhud, befehligte die Tartane »Guidare«, mit der er meist das
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