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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf
Autoren: Jules Verne
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zu.
    »Ah, das scheint mir doch ein Café zu sein, sagte er. Wir haben uns mit dem Herabsteigen aus der Vorstadt Pera ganz abgemattet. Die Sonne der Türkei heizt Einem ein, wie die Mündung eines Gießofens, und ich würde nicht darüber staunen, von Mynheer zu vernehmen, daß Sie sich nach einer Erfrischung sehnten.
    – Auch eine Art, auszudrücken, daß Du Durst hast, antwortete Van Mitten. – Meinetwegen, wir wollen in jenes Café gehen.«
    Beide nahmen vor der Front des Etablissements an einem leeren Tischehen Platz.
    »Cawadji!« rief Bruno, auf Europäerart klopfend.
    Niemand erschien.
    Bruno rief mit lauterer Stimme.
    Der Inhaber des Cafés zeigte sich im Hintergrunde seines Locals, beeilte sich aber keineswegs, herauszukommen.
    »Ein paar Fremde! murmelte er, die beiden am Tische sitzenden Männer erblickend. Sollten sie wirklich glauben, daß…«
    Endlich kam er näher.
    »Cawadji, bringen Sie uns eine Karaffe Kirschwasser, aber hübsch frisch! bestellte Van Mitten.
    – Mit dem Kanonenschusse, antwortete der Cafétier.

    – Was? Kirschwasser mit einem Kanonenschusse? rief Bruno. Nein, dann geben Sie uns lieber Pfefferminzwasser.
    – Oder, wenn Sie Kirschwasser nicht hätten, sagte Van Mitten, so serviren Sie uns ein Glas rosa Rahtlokum. Das scheint, meinem Reisehandbuche nach, etwas Vorzügliches zu sein.
    – Mit dem Kanonenschusse, wiederholte der Wirth, mit den Achseln zuckend.
    – Aber was hat er nur mit seinem ewigen Kanonenschusse? fragte jetzt Bruno seinen Herrn in holländischer Sprache.
    – Das werden wir ja sehen, antwortete dieser gemächlich. Nun, wenn Sie auch keinen Rahtlokum führen, so lassen Sie uns wenigstens eine Tasse Mokka zukommen – ein Glas Sorbet – was Sie wollen, guter Freund.
    – Mit dem Kanonenschusse!
    – Mit dem Kanonenschusse? wiederholte Van Mitten.
    – Nicht eher!« antwortete der Cafétier.
    Ohne weitere Umstände zog er sich wieder in die inneren Räumlichkeiten zurück.
    »Ich bitte Sie, Mynheer, sagte da Bruno, wir wollen fortgehen; hier ist doch nichts zu machen. Sie haben ja den Spitzbuben von Türken gesehen, der Ihnen immer nur einen Kanonenschuß auf Ihre Fragen zur Antwort giebt.
    – Komm, Bruno, antwortete Van Mitten, wir werden schon ein anderes Kaffeehaus finden, wo sich’s mit dem Wirthe vernünftiger reden läßt.«
    Beide kehrten nach dem Platze zurück.
    »Entschieden, Mynheer, begann Bruno, ist es nicht mehr zu frühzeitig, daß wir Ihren Freund, den Seigneur Keraban, entdecken. Hätten wir ihn in seinem Comptoir angetroffen, so wüßten wir doch wenigstens, woran wir hier eigentlich sind.
    – Ja wohl, Bruno, nur ein wenig Geduld. Man hat uns doch versichert, daß wir ihn auf diesem Platze treffen würden…
    – Nicht vor sieben Uhr, Mynheer. Hier an der Ufertreppe von Top-Hane soll sein Kajik anlegen, um ihn nach der andern Seite des Bosporus, nach Scutari überzusetzen.
    – Nun, Bruno, dieser hochachtbare Handelsherr wird uns schon über Alles, was hier vorgeht, aufklären. O, das ist ein richtiger Osmanli, ein getreuer Anhänger der alttürkischen Partei, welche sich weder in den Vorstellungen noch den Gebräuchen mit den thatsächlichen Verhältnissen zu befreunden vermag, gegen alle neuzeitlichen Erfindungen Einspruch erhebt; der Leute, die einen rumpelnden Postwagen jeder Eisenbahn, eine gebrechliche Tartane jedem Dampfschiffe vorziehen. Seit unserer, nun schon über zwanzig Jahre bestehenden Geschäftsverbindung habe ich noch nie bemerkt, daß die Anschauungen meines Freundes Keraban sich nur im geringsten geändert hätten. Als er vor drei Jahren in Rotterdam eintraf, um mich zu besuchen, kam er in einem Postwagen an und, statt einer Woche höchstens, hat er einen vollen Monat zur Fahrt hierher gebraucht. Siehst Du, Bruno, ich sah wohl in meinem Leben so manchen Trotzkopf, aber einen solchen Starrsinn wie den seinigen niemals!
    – Er wird schön erstaunt sein, Sie hier in Constantinopel zu treffen, bemerkte Bruno.
    – Ich glaub’ es auch, antwortete Van Mitten, doch es machte mir eben Vergnügen, ihn zu überraschen. In seiner Gesellschaft aber werden wir uns erst wirklich in der Türkei befinden. O, mein Freund Keraban wird sich niemals bestimmen lassen, die Tracht des Nizam anzulegen, den einreihigen blauen Rock und das rothe Fez der Jungtürken zu tragen.
    – Wenn sie ihr Fez abnehmen, meinte Bruno, sehen sie aus wie eine Flasche, die sich selbst entkorkt.
    – O, dieser werthe, stets unwandelbare Keraban! fuhr Van Mitten
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