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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf
Autoren: Jules Verne
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zugenommen und konnte sich nun ohne Erröthen überall sehen lassen. Seinem Brotherrn verdankte er endlich die jetzige hübsche Abrundung, die hundertsechzig Pfund Körpergewicht – was ihm unter seinen Mitbürgern etwa eine mittlere Stellung anwies. Man muß übrigens bescheiden sein, und so hatte er sich auch erst für seine alten Tage vorgenommen, zweihundert Pfund zu erreichen.
    Bei der innigen Anhänglichkeit an sein Haus, an seine Vaterstadt und sein Heimatland – jenes der Nordsee abgerungene Niederland – würde sich Bruno ohne höchst zwingende Gründe niemals entschlossen haben, die behagliche Wohnung am Nieuve-Haven, die gute Stadt Rotterdam, in seinen Augen überhaupt die erste Stadt Hollands, oder gar letzteres selbst zu verlassen, das ihm gewiß als das schönste Königreich der Erde galt.
    Ja, gewiß nicht; und dennoch ist es ebenso wahr, daß sich Bruno an jenem Tage in Constantinopel, dem alten Byzanz, dem Istambul der Türken, in der Hauptstadt des ottomanischen Reiches befand.
    Was war denn übrigens Van Mitten? – Nichts anderes als ein reicher Kaufmann in Rotterdam, ein Tabakshändler und Importeur der feinsten Erzeugnisse der Habana, wie der von Maryland, Virginia, von Varinas und Porto-Rico, insbesondere auch der von Macedonien, Syrien und Kleinasien überhaupt.
    Seit zwanzig Jahren schon machte Van Mitten umfängliche Geschäfte dieser Art mit dem Hause Keraban in Constantinopel, welches seine renommirten und garantirten Tabake nach allen fünf Erdtheilen versendete. Durch den vielfachen Schriftenwechsel mit dem bedeutenden Comptoir hatte sich der holländische Kaufmann eine gründliche Kenntniß der türkischen Sprache, das heißt des Osmanli, angeeignet, welches durch das ganze Reich in Gebrauch ist, so daß er dasselbe wie ein leibhaftiger Unterthan des Padischah oder ein Minister des »Emir-el-Mumenin«, des Oberherrn der Gläubigen, handhabte. Aus reiner Sympathie sprach es auch Bruno, der seines Herrn Geschäftsthätigkeit, wie oben gesagt, von jeher nahe stand, ebenso geläufig wie dieser.
    Die beiden originellen Leutchen waren sogar dahin übereingekommen, sich der türkischen Sprache nach ihrer Ankunft in der Türkei auch in der persönlichen Unterhaltung bedienen zu wollen. Und wirklich hätte man sie, abgesehen von ihrer Tracht, recht gut für zwei Osmanlis alten Schlages halten können. Uebrigens machte das nur Van Mitten Spaß, während es Bruno eigentlich mißfiel.
    Dennoch unterließ es der gehorsame Diener nicht, jeden Morgen zu seinem Herrn zu sagen:
    »
Efendum, emriniz nè dir?
«
    Das bedeutet: »Mein Herr, was befehlen Sie?– Und der also Angeredete antwortete in gutem Türkisch:
    »
Sitrimi, pantalounymi fourtcha

    Das bedeutet: »Bürste meinen Rock und meine Hose aus.«
    Aus Obigem wird man die Ueberzeugung gewinnen, daß Van Mitten und Bruno sich in der so ausgedehnten Stadt Constantinopel, ohne in Verlegenheit zu kommen, überall bewegen konnten, erstens, weil sie sich in der Landessprache geläufig auszudrücken verstanden, und dann auch, weil sie eines freundschaftlichen Empfanges im Hause Keraban sicher waren, dessen Chef schon einmal eine Reise nach Holland gemacht und sich – eine häufige Wirkung greller Gegensätze – mit seinem Geschäftsfreunde in Rotterdam auf vertrautesten Fuß gestellt hatte. Das war eigentlich der Hauptgrund gewesen, um des willen Van Mitten, als er dem Vaterlande den Rücken kehrte, der Gedanke gekommen war, einmal in Constantinopel Aufenthalt zu nehmen, und um des willen auch Bruno, freilich zu seinem Leidwesen, sich hatte bestimmen lassen, ihn zu begleiten; und die Veranlassung endlich, daß jetzt beide auf dem Top-Hane-Platze umhergingen.
    »Noch eine Stunde, sagte da ein Türke, dann wird die Sonne in den Fluthen des Bosporus erloschen sein, und dann…
    – Dann können wir, fuhr ein Anderer fort, nach Herzenslust essen, trinken und, vor Allem, rauchen!
    – Sie wird etwas langweilig, diese Ramadan-Fastenzeit.
    – Wie jedes religiöse Fasten!«
    Andererseits wechselten wieder zwei, vor einem Kaffeehause auf-und abgehende Fremde die Worte:
    »Es sind doch wunderliche Leute, diese Türken! Wahrlich, wenn ein Fremder gerade während dieser langen Abstinenzzeit Constantinopel zum ersten Male sähe, er müßte eine traurige Vorstellung von der Hauptstadt Mohammed’s gewinnen!
    – Bah! meinte der Andere, London ist Sonntags auch nicht lustiger! Wenn die Türken tagsüber fasten, so entschädigen sie sich in der Nacht, und mit
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