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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition)
Autoren: Andy Remic
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und riss dabei zwanzig oder mehr miteinander kämpfende Canker mit durch die Mitte der Wendeltreppe. Kell stand schwankend am Rand, kurz davor, das Gleichgewicht zu verlieren. Er taumelte einen Augenblick, bis etwas ihn packte und ihn zurückzog. Er fiel auf den Hintern, drehte sich um und grinste Saark an.
    »Danke, mein Junge.«
    »Kein Problem, Kell. Wie sieht’s aus, gehen wir weiter oder willst du noch verschnaufen?«
    »Pah! Nach dir.«
    Sie liefen weiter die Treppe hinauf, während das Knurren und Grollen leiser wurde. Zwei Canker versuchten den Abgrund mit einem Satz zu überwinden, prallten jedoch von den Wänden ab und verschwanden wild um sich schlagend und brüllend in der Dunkelheit, dem Eis und den Trümmern. Es rumste zweimal, als sie auf dem Boden tief unten aufprallten, aufgespießt auf den alten Eisenstangen.
    Die beiden Männer rannten weiter, schweißüberströmt, mit schmerzenden Muskeln und brennenden Gliedern. Die Müdigkeit setzte ihnen arg zu. Schließlich erreichten sie die letzte Treppe und stürmten in das gräuliche Tageslicht, in den wirbelnden Schnee, der aus stahlfarbenen Wolken zu kommen schien. Der kalte Wind peitschte ihnen ins Gesicht. Unter ihnen erstreckte sich Alt-Skulkra in alle vier Himmelsrichtungen, gigantisch, zerfallen, furchteinflößend.
    Die Spitze des Turmblocks war ein tückischer Parcour aus steinernen Streben und Kanälen. Falls es einmal Holz gegeben hatte, war dieses schon lange verschwunden, was bedeutete, dass der Fußboden ein Netzwerk aus Stein war und ein falscher Schritt zur Folge hatte, dass man auf den wenig einladenden Stein darunter stürzte. Der ganze Turm schien unter den brutalen Windstößen zu schwanken. Der Wind heulte lange und klagend. Kell trat über die verschiedenen Streben zu der niedrigen Mauer, die das oberste Geschoss dieses gewaltigen Turms umgab. Dann blickte er über die uralte Stadt hinweg auf das Valantrium-Moor, das fern und verlockend vor ihren Mauern lag, eingehüllt in ein Tuch aus Schnee.
    Saark stellte sich neben ihn. Er blickte auf ein anderes Gebäude in der Nähe. »Können wir das mit einem Sprung erreichen?«
    »Wenn du es zuerst versuchst«, erwiderte Kell.
    »Umkehren können wir jedenfalls nicht.«
    Kell nickte. »Man kann den Forst der Steinlöwen von hier aus sehen.« Er deutete in die Richtung.
    »Wir brauchen einen Plan«, erklärte Saark und kniff die Augen zusammen. »Wie kommen wir von diesem verfluchten Turm wieder runter? Komm schon, Kell, du bist doch der Mann, der auf alles eine Antwort hat!«
    »Ich habe keine Antworten!«, brüllte er. Sein Gesicht war einen Moment wutverzerrt, doch dann riss er sich wieder zusammen. »Ich versuche nur, uns lange genug am Leben zu erhalten, damit wir uns etwas ausdenken können.« Er rieb sich den Bart; seine Finger waren von Schmutz und altem Blut überzogen. Erst dann blickte er an sich herunter und lachte verbittert auf. »Sieh dir an, wie ich aussehe, Saark.« Seine Augen wirkten wild, wie dunkle, glitzernde Kohlen. »Wie damals, in den Tagen des Blutes .«
    Saark erwiderte nichts. Sein Verstand überschlug sich fast. Kell verlor die Kontrolle über sich, er wurde ganz langsam … wahnsinnig.
    »Es muss einen Weg hier hinunter geben«, meinte Saark gelassen. »Warte hier und bewache die Stufen. Ich sehe nach, ob ich eine Rampe oder eine Treppe oder irgendeine andere Möglichkeit finden kann, das Dach des nächsten Gebäudes zu erreichen.«
    Saark ging langsam an der äußeren Wand des Turms vorbei, wählte jeden Schritt mit Bedacht und sehr sorgfältig; das Innere des Turms tief unter ihm wirkte wie ein gewaltiger, stinkender Schlund. Aus dem ein dumpfes, drohendes Grollen zu ihm heraufhallte.
    Dann blieb Saark stehen und blickte über die riesige, verrottende Dekadenz von Alt-Skulkra. Jenseits der Wälle konnte er den Feind sehen: die Eiserne Armee. In dem Moment wurde ihm traurig ums Herz, und die Trauer schien es mit ihrer Faust zu zermalmen. Langsam dämmerte ihm die bittere Wahrheit, dass General Graal gewonnen hatte. Er hatte Falanors Armeen zerschmettert, als wären es Puppen gewesen. Er hatte die Truppen Leanorics vernichtet und … was jetzt?
    Saark runzelte die Stirn. Von seinem erhöhten Beobachtungsposten aus konnte er die Große Nordstraße sehen, die sich nach Norden und Süden erstreckte; ein verschlungenes, schwarzes Band, das sich durch Hügel und Wälder schlängelte, die mit Schnee bedeckt waren. Im Westen sah er den ausgedehnten Vorgeth-Forst, der
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