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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt
Autoren: Niels Peter Henning
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Inzwischen war
die Farbe zu einem Pastellton verblasst. Einige Schnüre des Geflechts hatten
bereits ihren Geist aufgegeben und hingen herab wie die Tentakel eines
verendeten Tintenfisches.
    Er tappte in den Raum hinein
und erschrak, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Doch im gleichen
Augenblick fühlte er Erleichterung. Er war nicht im Kreis gelaufen. Stattdessen
hatte er Fortschritte gemacht und sich von seinem Ausgangspunkt entfernt. Damit
hatte er auch gegenüber seinem Verfolger Boden gut gemacht. Vielleicht sollte
er sich nun etwas Zeit nehmen, um sein weiteres Vorgehen zu planen.
    Dieser Eingebung folgend,
stieg er auf den Schutthaufen und drückte mit einer Hand auf die Sitzfläche des
Gartenstuhls. Ob ihn das Ding wohl tragen würde? Er beschloss, es auf einen
Versuch ankommen zu lassen und ließ sich vorsichtig auf dem Geflecht aus
Kunststoffschnüren nieder, jederzeit bereit, sofort wieder aufzuspringen, falls
die Schnüre reißen sollten. Sie protestierten zwar mit einem Knarren, doch sie
schienen zu halten. Also wagte er es, sich zurückzulehnen und einen Augenblick
auszuruhen.
    Er musste nachdenken.
Allerdings nicht über sich selbst. Seine gesamte Vergangenheit konnte er
vorerst abhaken - dazu würde ihm ohnehin nichts einfallen. Sobald die Wirkung
der Drogen nachließ, würden seine Erinnerungen von selbst wieder zurückkehren.
Zumindest hoffte er das. Er sollte sich also darauf konzentrieren, den Ausgang
zu finden. Er benötigte ein System, nach dem er vorgehen konnte. Einen Plan, um
seinen Weg durch die Korridore zu markieren. Mit seinen eigenen Mitteln konnte
er nichts erreichen, denn außer seinen Kleidern trug er nichts bei sich. Aber
vielleicht konnte er diesen Schutt unter sich benutzen, um eine Spur zu legen.
    Die Idee begeisterte ihn,
doch im nächsten Augenblick sprang er auf. Der Stuhl kippte dabei um und
kugelte von dem Schutt herunter.
    Was glaubte er eigentlich,
was er hier tat?
    Der Gedanke, in diesem
Schutt nach irgendwelchen Gegenständen zu suchen, kam ihm absurd vor. Wenn er
sich mit solchen Dingen aufhielt, dann würde man ihn erwischen. Deswegen sollte
er sich besser wieder auf den Weg machen und sich auf seine Intuition
verlassen, anstatt irgendwelche wirren Pläne zu schmieden.
    Er wandte sich ab und
flüchtete aus dem Raum. Draußen schlug er sofort wieder die Richtung ein, in
die er marschiert war, bevor er die Tür bemerkt hatte. Erst nachdem er einige
Abzweigungen passiert hatte, gestattete er sich, sein Tempo ein wenig zu
drosseln.
    Er fragte sich, weswegen er
seine Idee nicht weiter verfolgt hatte. Er hätte seine Hosentaschen mit kleinen
Steinen und Betonbrocken füllen können. Damit hätte er eine Spur legen können.
Doch in diesem Raum, auf diesem Stuhl, war ihm der Gedanke absurd vorgekommen.
Er hätte keinen Moment länger ausharren können, ohne in Panik zu geraten.
    Und je länger er über seine
Idee nachdachte, desto dümmer kam sie ihm vor. Wenn er hier drin eine Spur
legte, dann konnte man ihm bestens folgen. Man musste noch nicht einmal nach
ihm suchen. Oh nein, da zog er es lieber vor, eine ganze Weile im Kreis zu
laufen.
    Was blieb ihm nun übrig?
Nichts. Er würde nicht umkehren, auf keinen Fall. Abgesehen davon erinnerte er
sich bereits jetzt schon nicht mehr daran, welchen Weg er an der vorletzten
Abzweigung genommen hatte. Auf der Suche nach einem Rückweg würde er sich nur
noch tiefer in diesem Labyrinth verirren - falls das überhaupt noch möglich
war.
    Es dauerte nicht lange, bis
er die nächste Tür erreichte. Sie sah genauso aus wie die beiden anderen Türen,
die er hier unten kennen gelernt hatte: Eine herkömmliche Feuertür. Diesmal
befürchtete er nicht, er könne im Kreis gelaufen sein. Der Korridor, in dem er
gerade steckte, ließ ihm kaum Platz. Die Korridore vor den anderen Türen waren
weniger eng gewesen. Also hatte er es mit einem völlig neuen Raum zu tun.
    Er öffnete die Tür einen
Spalt weit und linste in den Raum hinein. Auch hier erblickte er etwas Schutt
auf dem Boden. Backsteine, Mörtel, Beton, Holzsplitter, ein Stück von einer
Eisenstange.
    Zwischen den Trümmern
blinkte etwas Blaues hervor und machte ihn neugierig. Er wollte sehen, was das
war. Er betrat den Raum, ging vor dem Schutt in die Hocke, wischte Staub und
Steine beiseite und zog das blaue Ding aus dem Schutt hervor. Dann wischte er
es ab und begutachtete, was er da in der Hand hielt.
    Erst auf den zweiten Blick
identifizierte er dieses zerquetschte, in
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