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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen
Autoren: Simone Keil
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Das ist merkwürdig und es fühlt sich merkwürdig an, es zu sagen. Wir müssen sie rausbringen. Sie waren lange genug eingesperrt und ich weiß, wie es sich anfühlt, eingesperrt zu sein.
    Wir sollten sie zurückbringen, sage ich, zurück zu den anderen.
    Zu den Purpurbergen? Herr Blum rückt seine Brillen gerade und tritt aufgeregt von einem Bein aufs andere. Ich könnte - also, eventuell, wenn ich - ja, warum eigentlich nicht? Was halten Sie davon, wenn ich die Albe dorthin begleite?
    Gut. Der Patient nimmt Herrn Blums Hand und schüttelt sie so kräftig, dass die Brillen verrutschen. Dann kramt er in seiner Tasche, zieht eine rote Weste heraus und streift sie über, bindet sich die Haare mit einem roten Tuch zusammen und sagt: Okay, ich bringe Sie raus, Herr Blum. Folgen Sie mir.
    Herr Blum schnappt sich eine Aktentasche, verstaut seine Papiere darin und folgt Konstanze zur Tür. Dann dreht er sich noch einmal um, holt das Kästchen mit den Zigarren und das mit den Pillen und stopft beide ebenfalls in die Tasche. Verzeihen Sie, sagt er, ich bin so unhöflich. Er schüttelt meine Hand, Johannas Hand, Conchúbars Hand, die Hand des kleinen Jungen. Leben Sie wohl. Ach ja, vergessen Sie nicht, sich nächste Woche die Sendung anzusehen, ich werde Ihnen zuwinken. Er kichert und schlüpft aus der Tür.
    Wenige Sekunden später lässt eine gewaltige Explosion die Wände erzittern. Putz rieselt aus der Decke.
    Und wir?, frage ich. Was machen wir jetzt?
    Johanna lacht. Du hast es immer noch nicht verstanden, oder? Wir machen, was wir wollen. Alles.
    Ihre Augen schimmern in allen erdenklichen Blautönen. Ein kühler Bergsee, das Meer frühmorgens, wenn die Sonne gerade aufgegangen ist, ein ruhiger Fluss, der sich zwischen Bäumen hindurchschlängelt. Und plötzlich stelle ich es mir gar nicht mehr so schlimm vor, zu ertrinken.
    Dann lass uns losgehen, sage ich. Zusammen. Ich nehme ihre Hand und sie passt in meine, als ob sie an keinen anderen Ort gehörte.
    Ja, sagt sie. Also los.
    Erin? Der kleine Junge zupft an meinem Ärmel. In seinen Augen schimmern Tränen.
    Wir haben noch etwas zu erledigen, Nut. Conchúbar legt seine große Klaue auf die schmächtige Schulter. Wir müssen einen Regenbogen jagen, hast du das etwa vergessen?
    Aber ich dachte - er nickt. Nut, dessen Bestimmung es ist, mit Conchúbar die Traumländer zu bejagen, sagt er.
    Werden wir uns wiedersehen? Was für eine Frage. Ich habe es wohl immer noch nicht richtig kapiert.
    Wir gehen zusammen durch das Loch, das die Sprengladung in die Außenwand gerissen hat. Conchúbar nimmt den Jungen in den Arm, breitet seine Flügel aus und ich sehe ihnen nach, bis sie nur noch als kleiner Punkt zu erkennen sind.
    Dann höre ich ihn. Seine Beine stampfen und wirbeln den Sand auf. Sie zuckt zusammen. Ihn hatte ich vollkommen vergessen, sagt sie. Das kannst du auch, sage ich. Guck dir mal sein dämliches Gesicht an, sieht aus wie eine dieser Babypuppen. Und die Haare, sagt sie, die sind pink. Albern. Total albern. Wir kichern und er schrumpft. Jetzt sieht er aus wie ein pinkfarbenes Pony. Dann wie eine Qualle. Und dann ist er weg.
    Und wir?, frage ich, was machen wir jetzt?
    Ich weiß nicht, aber das hört sich gut an, sagt sie. Wir. Und dann küsst sie mich und ich weiß, dass ich niemals wieder Angst haben werde.

Der Konstrukteur
    Der Konstrukteur legt den Hörer des Roten Telefons auf die Gabel und seufzt. Endlich. “Wir brechen die Zelte ab”, sagt er.
    “Was?” Sein Assistent legt das angebissene Pizzastück auf die Steuerkonsole und wischt sich mit dem Handrücken über die fettigen Lippen. “Wieso das denn?” Er deutet auf einen der Bildschirme. “Die Show läuft doch noch. Die Albe sind ganz gut im Rennen und die Menschen rennen auch.” Er kichert. “Hast du den Witz verstanden? Die einen sind im Rennen und die anderen rennen.”
    Am liebsten würde der Konstrukteur dem dürren Mann den Finger ins Auge stechen, nur um zu sehen, wie er dann hüpft. “Dein Humor passt zu dir”, sagt er aber nur. “Pack einfach deinen Kram zusammen, wir verschwinden hier. Die Show wurde abgesetzt. Beschissene Einschaltquoten. Die Albe sind Weicheier und die Menschen sind einfach zu doof, um angemessene Gegner zu sein. Niemand will den Mist ansehen. Nicht einmal die Trottel aus dem Blubasystem. Und weißt du was? Ich bin froh darüber.”
    Der Assistent kaut und sagt mit vollem Mund: “Ach, ich mochte die Arbeit hier. Na ja, egal. Wo geht’s denn jetzt
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