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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen
Autoren: Simone Keil
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Jungen an. “Ich kenne dich”, sagte er.
    “Donnerwetter und eins!” Der Mann sprang aus seinem Sessel, stieß dabei die Tasse vom Tisch und wedelte aufgeregt mit einigen seiner Papiere. Er rückte seine Brillen gerade und fixierte Conchúbar, dann sah er auf das Blatt in seiner Hand. Er rief “Heureka!” und ließ sich schwer atmend zurück in seinen Sessel fallen. Nachdem er beiläufig zwei der Pillen vom Tisch genommen und in den Mund geworfen hatte, begann er sich Notizen zu machen.
    “Und ich kenne dich”, sagte der Junge. Er berührte Conchúbars Klaue, strich mit den Fingerspitzen über die dunkle Lederhaut. Dann lachte er auf und zuckte zusammen - erschrocken über das Geräusch. Wann hatte er sich zum letzten Mal lachen gehört? Das musste …
    “Pfannkuuuchen? Mein lieber Herr Blum, ich dachte mir Sie hätten vielleicht …” Frau Schmitt blieb in der Tür stehen und starrte die Anwesenden der Reihe nach an. In der einen Hand hielt sie einen Teller, auf dem sich Pfannkuchen stapelten, in der anderen eine Flasche Sirup. Sie zog die Augenbrauen nach oben und setzte einen säuerlichen Gesichtsausdruck auf. “Herr Blum, so geht das wirklich nicht. Wenn Sie Besuch empfangen möchten, dann sollten Sie das anmelden.”
    Herr Blum blickte erst von seinen Papieren auf, als Frau Schmitt fest auf den Boden stampfte. “Frau Schmitt”, sagte er. “Ähm. Wie nett Sie heute wieder aussehen.”
    Frau Schmitts Wangen röteten sich. “Sie alter Charmeur.” Sie stellt die Pfannkuchen auf einem Papierstapel auf dem Schreibtisch ab und goss einen ordentlichen Spritzer Sirup darüber. “Die Pfannkuchen habe ich für Sie gebacken, mein Lieber, und nicht”, sie deutete mit dem Daumen über ihre Schulter, “für die da. Und ich möchte doch bitten, dass die da bald wieder verschwunden sind.”
    Herr Blum räusperte sich und warf noch eine der Pillen ein. “Selbstverständlich, Frau Schmitt.” Er beugte sich in seinem Sessel vor und Frau Schmitt beugte sich ihm entgegen. “Die da”, flüsterte er, “sind Teil eines überaus wichtigen Projekts. Ich werde sie hinauskomplimentieren, sobald ich meine Notizen beendet habe. Und sie werden nicht einen Bissen der wundervoll duftenden Pfannkuchen abbekommen. Auf gar keinen Fall.”
    Frau Schmitt seufzte verzückt. “Sie sind ein Kavalier der alten Schule, Herr Blum.” Sie kratzte sich unter der blonden Perücke. “Dann interessiert Sie vielleicht auch das Mädchen, das der Patient unlängst aufgegabelt hat? Ich weiß nicht, wo er diese Satansbraten immer auftut, er schleppt einfach alles an, was herrenlos herumstromert.”
    Der Junge ließ Conchúbars Hand los und wandte sich der großen Frau zu. “Welches Mädchen?”, sagte er. “Frau Schmitt?”
    Frau Schmitt stieß sichtlich aufgebracht den Atem aus und drehte sich zu dem Störenfried um. “Ein Mädchen. Nur ein Mädchen, nichts weiter.” Sie wedelte mit der Hand, als wollte sie eine Fliege verscheuchen. “Du hattest deine Pfannkuchen schon.”
    “Ja, danke. Ich wollte nur wissen … Hat sie rotes Haar?”
    “Was weiß ich.” Frau Schmitt war nun endgültig verärgert. Herr Blum kritzelte bereits wieder auf seinen Papieren herum und hatte die Pfannkuchen nicht angerührt! “Bringen Sie das Geschirr in die Küche zurück”, keifte sie. “Und vergessen Sie nicht, den Teller gut zu spülen!” Dann rauschte sie hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
    Wenige Sekunden später schlug die Tür wieder auf. Frau Schmitt zerrte ein Mädchen hinter sich her und stieß es in das Zimmer. “So”, sagte sie. “Ich denke gar nicht daran, den Babysitter zu spielen.” Sie warf theatralisch den Kopf in den Nacken und - wumms.
    Das Mädchen zitterte. Ihre Haare hingen ihr wirr in die Stirn. Rote Haare.
    “Johanna”, sagte der Junge.
    “Alice”, sagte Nut.
    “Pritunia”, sagte Herr Blum.
    “Du”, sagte Conchúbar. “Du lebst.”
    “Erin”, sagte Pritunia. Sie streckte ihre Hand aus und strich dem Jungen durchs Haar.
    Er verschränkte seine Finger in ihren. “Wie bist du hierher gelangt?”
    Sie zuckte mit den Schultern. “Im Keller … Ich war im Keller. Der Schattenmann.” Sie zitterte. “Er hat mich gepackt. Ich habe die Augen fest zu gemacht. Und dann war ich im Wohnzimmer, mit einem Mann …”
    “Der Patient. Er hat mich auch hierher gebracht, nach der Explosion. Erinnerst du dich?”
    “Ja. Ich erinnere mich. Aber ich war …” Sie betrachtete ihre Hände, berührte ihr Gesicht.
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