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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance
Autoren: H Coben
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sagte Lenny, »du solltest nicht allein in dem Haus bleiben.«
    »Das geht schon in Ordnung.«
    »Cheryl hat ein paar Mahlzeiten für dich gekocht. Sie sind in der Tiefkühltruhe.«
    »Das ist nett von ihr.«
    »Leider ist sie nach wie vor die schlechteste Köchin der Welt.«
    »Ich hab ja nicht gesagt, dass ich sie esse.«
    Lenny sah zur Seite und beschäftigte sich mit der schon fertig gepackten Tasche. Ich beobachtete ihn. Wir kennen uns schon ewig — aus der ersten Klasse bei Mrs Roberts; er war vermutlich
nicht sehr überrascht, als ich sagte: »Willst du darüber reden, was los ist?«
    Er hatte auf eine solche Gelegenheit gewartet und nutzte sie auch sofort. »Hör zu, ich bin dein Anwalt, ja?«
    »Stimmt.«
    »Als solcher möchte ich dir einen juristischen Rat geben.«
    »Und?«
    »Ich hätte das schon früher sagen sollen, aber ich wusste, dass du nicht auf mich hören würdest. Jetzt, also, ich glaube, jetzt ist es was anderes.«
    »Lenny?«
    »Ja.«
    »Wovon redest du?«
    Trotz der Fortschritte, die Lenny im physischen Bereich gemacht hatte, sah ich in ihm immer noch den Jungen. Es fiel mir daher nicht leicht, seine Ratschläge ernst zu nehmen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich wusste, dass er klug war. Ich hatte mit ihm gefeiert, als er erst seine Zulassung für Princeton und dann für die Columbia Law School bekam. Wir hatten gemeinsam unsere SAT-Tests abgelegt und hatten im vorletzten Schuljahr den gleichen Chemiekurs für Fortgeschrittene besucht. Aber der Lenny, den ich vor mir sah, war der, mit dem ich an schwülen Freitag- und Samstagabenden verzweifelt durch die Straßen gezogen war. Wir hatten den Kombi seines Vaters genommen — mit Holzdekor, also nicht unbedingt die klassische Aufreißerkiste — und versucht, auf Partys eingelassen zu werden. Man ließ uns auch immer rein, richtig willkommen waren wir aber nicht. Wir waren ein Teil der großen, unbesungenen Mehrheit der High School. Mit einem Bier in der Hand standen wir in der Ecke, wackelten im Rhythmus der Musik mit dem Kopf und versuchten mit aller Kraft, von irgendjemandem wahrgenommen zu werden. Es klappte nie. Meistens aßen wir hinterher ein überbackenes
Käse-Sandwich im Heritage Diner oder, was noch besser war, auf dem Fußballplatz hinter der Benjamin Franklin Middle School, wo wir auf dem Rasen lagen und in die Sterne hinaufblickten. Es redete sich leichter, selbst mit dem besten Freund, wenn man auf dem Rücken lag und die Sterne betrachtete.
    »Okay«, sagte Lenny und gestikulierte etwas zu wild, wie meistens. »Folgendes: Ich will nicht mehr, dass du mit der Polizei sprichst, wenn ich nicht dabei bin.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ist das dein Ernst?«
    »Vielleicht täusche ich mich, aber ich kenne solche Fälle. Nicht genau solche, aber du weißt, was ich meine. Die Hauptverdächtigen sind immer die Angehörigen.«
    »Meinst du meine Schwester?«
    »Nein, ich meine die engsten Angehörigen. Oder noch engere Angehörige, falls das möglich ist.«
    »Willst du damit sagen, die Polizei verdächtigt mich?«
    »Ich weiß es nicht. Wirklich nicht.« Er schwieg, allerdings nicht sehr lange. »Okay, ja, wahrscheinlich.«
    »Aber auf mich ist geschossen worden, wie du dich vielleicht noch erinnerst. Mein Kind wurde entführt.«
    »Ja, und genau da liegt das Problem.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Je mehr Zeit vergeht, desto stärker gerätst du unter Verdacht.«
    »Wieso?«, wollte ich wissen.
    »Weiß ich auch nicht. So läuft das einfach. Pass auf, Entführungen werden vom FBI bearbeitet. Das weißt du doch, oder? Sobald ein Kind vierundzwanzig Stunden verschwunden ist, gehen sie davon aus, dass es über die Grenze des Bundesstaats gebracht wurde, und damit ist es ihr Fall.«
    »Und?«
    »Also hatten sie die ersten, na ja, zehn Tage oder so, eine ganze
Horde Agenten hier. Sie haben deine Telefone abgehört und auf die Lösegeldforderung gewartet und so. Aber vorgestern haben die meisten ihre Zelte wieder abgebrochen. So weit ist das alles völlig normal. Sie können nicht ewig warten, also lassen sie ein oder zwei Agenten da. Damit hat sich allerdings auch ihre Einschätzung der Situation verändert. Jetzt wurde Tara nicht mehr gekidnappt, um ein Lösegeld zu erpressen, es war eine einfache Entführung. Ich vermute allerdings, dass die Telefone immer noch abgehört werden. Ich habe bisher nicht nachgefragt, aber das mach ich noch. Sie behaupten, dass sie die Abhörgeräte eingeschaltet lassen, falls doch noch eine
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