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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst
Autoren: Frank Schätzing
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kein Unmensch. Einer zwar, der gern aufs Gas tritt, aber deswegen nicht ohne Kinderstube und Kultur. Und überhaupt, der Mann hat ihn gesehen, soviel zum Thema Fahrerflucht, und man war ja selber froh, wenn einem geholfen würde, und überhaupt, und überhaupt.
    Gabbert läßt die Scheibe ein Stück herunter. Es weht kalt herein.
    »… einen Unfall!« hört er den Fremden sagen.
    Auch die Stimme kommt ihm bekannt vor. Kein Zweifel, er kennt den Burschen. Könnte einer aus der Kölner Prominentenriege sein. Das wäre allerdings der Hammer! Heinz Gabbert rettet … ja, wen eigentlich?
    Er läßt die Scheibe ganz herunter.
    »Kann ich was für Sie tun?«
    »Wir hatten einen Unfall«, wiederholt der andere. Er hustet. Ein dünner Faden mit Blut vermischten Speichels läuft seine Unterlippe herunter.
    »Nein. Nein, mir geht’s gut.«
    »Ihnen geht’s gut?« Gabbert schüttelt nachsichtig den Kopf. »Ich hab schon welche gesehen, denen ging’s besser. Wenn Sie mich fragen …«
    »Wir müssen uns beeilen«, keucht der Fremde. »Ich weiß nicht, wo er hin ist, aber er wird Hilfe brauchen.«
    »Er? Wer?«
    »Ich … ich weiß nicht …«
    Gabbert runzelt die Stirn. Doch ein Verrückter?
    »Ich fahre Sie ins Krankenhaus«, sagt er entschieden.
    Du bist ein blöder Idiot, schießt es ihm durch den Kopf. Sie werden an dir herumschnüffeln und den Alkohol riechen. Und dann?
    »Nein, nicht ins Krankenhaus!«
    Gabbert saugt hörbar den Atem ein und schweigt.
    »Später vielleicht.« Der Mann fährt sich übers Gesicht und verschmiert das Blut noch mehr. »Hören Sie, wir sind da vorne von der Straße abgekommen, kann nicht weit sein. Zwei, drei Kilometer, schätze ich. Bin die ganze Strecke …« Neuer Husten schneidet ihm den Satz ab. »Ich bin …« Husten, der kein Ende nehmen will.
    Also gut.
    Die Zentralverriegelung schnappt wieder auf.
    »Steigen Sie ein.« Gabberts Daumen weist nach hinten. »Auf die Rückbank mit Ihnen. Tut mir leid, hab vorne allen möglichen Krimskrams rumliegen. Unten ist ein Griff, damit können Sie den Sitz …«
    »Ich weiß. Danke.«
    »Wollen Sie ’n Riegel?«
    »Einen was?«
    »Knabberriegel. Der ganze Wagen ist voll davon. Ich brauch das Zeug.«
    »Ah … nein. Nein, danke. Wirklich nicht.«
    »Okay.«
    Während sein nächtlicher Fahrgast nach hinten kriecht, denkt Gabbert angestrengt nach, wo er die Stimme schon gehört hat. Kann einen um den Schlaf bringen, so was! Irgendeine Show im Fernsehen, beim Zappen draufgestoßen? Nein, eher … live! Musiker vielleicht. Sänger. Schauspieler. Weiß der Teufel! Wenn er nur das Gesicht erkennen könnte unter der blutigen Maske. Gabbert rettet Promi! Käme nicht schlecht, verdammt! Hey, I’m a fire Starter …
    Der Fremde läßt sich schwer in die Polster fallen und verschwindet endgültig im Dunkel. Gabbert zuckt mit den Achseln, langt rüber, knallt die Tür zu und legt den Gang ein. Wird ihn halt später danach fragen.
    Dann breitet sich ein mulmiges Gefühl in seiner Magengrube aus. Nicht, daß es dem Burschen einfällt, sein Leben dahinten auszuhauchen!
    Du heilige Scheiße! Das war noch was! Ein betrunkener Fahrer mit einem toten Unfallopfer auf der Rückbank, auf dem Militärring in die ewigen Jagdgründe eingegangen, da spricht die Staatsanwaltschaft schon mal gern von Totschlag.
    Besser, langsam zu fahren. Wenn er den Mann verarztet hat, ist immer noch Gelegenheit, ein bißchen auf die Tube zu drücken. Brav, mit achtzig Stundenkilometern, zockelt der Golf den Militärring runter. Gabbert kommt es nach dem Höllenritt der letzten Viertelstunde vor wie Schneckenreiten. Trotzdem.
    Hinten bewegt sich der andere, richtet sich ein Stück auf. Er lebt noch. Halleluja!
    Gabbert räuspert sich.
    »Wo, sagten Sie, steht ihr Wagen?«
    »Stehen?« Der Fremde läßt ein humorloses Lachen hören. »Da steht überhaupt nichts mehr. Total im Eimer. Ist übrigens das gleiche Modell wie Ihrer.« Eine Pause, so düster wie die Welt da draußen. »Oder war es«, fügt er mißmutig hinzu.
    »Was ist überhaupt passiert?«
    »Gute Frage. Hab ’ne Sekunde lang nicht aufgepaßt. Weiß nicht, alles so verschwommen. Da war noch einer mit mir im Wagen, der scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Ist wahrscheinlich selber los, Hilfe holen. Ich war längere Zeit bewußtlos … glaube ich. Dann …«
    »Augenblick mal! Sie erinnern sich nicht, wer mit Ihnen im Wagen saß?«
    »Was? Nein. Ja … doch … Keine Ahnung, ich bin völlig durcheinander. Kann mich kaum
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