Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
ihm in die Augen.
    Sein Verstand weigert sich zu begreifen.
    »Sieh auf die Fahrbahn!« brüllt der andere. »Um Gottes willen, du wirst uns noch umbringen. Sieh auf die …«
    Ein Hupen, endlos, nah, zu nah.
    Gabbert wirbelt herum, eben rechtzeitig, um die hochgelegenen Lichtbatterien des riesigen Fernlasters auf ihn zurasen zu sehen. Das ganze Universum scheint nur noch aus diesen Lichtern und dem Hupen zu bestehen, und er auf der falschen Straßenseite, dahingeraten, weil er sich umgedreht hat, als ihnen dieses Monster entgegenkam.
    Seine Hände greifen ins Lenkrad. Der Golf beschreibt eine groteske Kurve, kracht gegen den Ausläufer der gewaltigen Stoßstange, die ihn wegdrückt und anhebt, so daß er auf zwei Rädern weiterfährt. Verzweifelt wirft sich Gabbert auf die Beifahrerseite, um den Wagen durch die Verlagerung des Gewichts wieder in die Waagerechte zu bringen. Das Gegenteil geschieht. Wie in Zeitlupe legt sich der Golf auf die Seite, schlittert funkenschlagend über den Asphalt, und Gabbert stürzt zurück.
    »Du Idiot!« schreit die Stimme hinter ihm. »Jetzt geht alles wieder von vorne los!«
    Letzte Worte, die Gabbert hört, bevor der Golf auch seine Seitenposition aufgibt und aufs Dach kippt. Krachend geht es abwärts, die Böschung runter. Gabbert knallt mit dem Kopf gegen etwas Hartes, sieht undeutlich Bäume, Gestrüpp, Gras und seine Beine über sich.
    Wie eine gepeinigte Kreatur kreischt der Wagen noch ein-mal auf, macht einen Satz und zerbirst an einer altehrwür-digen Buche, eine Schneise der Zerstörung hinterlassend.
    Eine Zeitlang scheppert etwas im Innern weiter.
    Dann ist alles still.
    Lange.
    Sehr lange.
    Gabbert hustet.
    Es kommt ihm vor, als säße er in einer Pauke, auf die jemand wie ein Wahnsinniger eindrischt. Er öffnet die Augen. Über ihm erstreckt sich ein rabenschwarzer, mond-und sternenloser Nachthimmel.
    Er friert. Das ist gut. Wer friert, der kann nicht tot sein.
    Seitlich ragt das Heck des Golfs über ihm auf. Er selber liegt im nassen Gras. Instinktiv geht er davon aus, daß er bei dem Unfall alle Knochen gebrochen hat. Er wendet den Kopf, richtet sich auf den plötzlich zuschlagenden Schmerz ein, aber zu seiner Überraschung geht es ganz leicht. Sonderlich schlimm scheint es ihn nicht erwischt zu haben, sieht man davon ab, daß warme Flüssigkeit über sein Gesicht läuft und der Wahnsinnige in seinem Kopf immer noch Pauke spielt. Er bewegt die Finger, hebt die Arme, zieht die Beine an. Alles in bester Ordnung.
    Immer noch mißtrauisch stützt er sich auf den rechten Ellbogen und betrachtet seinen Wagen. Jetzt kann er sehen, daß der Golf total zertrümmert ist. Die Fahrertür steht weit offen. Also ist er rausgeschleudert worden. Darum hat er überlebt. Es grenzt an ein Wunder.
    Als er sich ganz aufsetzt, ist der Schmerz plötzlich da. Aber er ist nicht körperlich. Mehr, als habe man seine Psyche einer grausamen Tortur unterzogen, seinen Geist gefoltert, und – was noch schlimmer ist – sein Erinnerungsvermögen zer-stückelt. Das letzte, dessen er sich entsinnt, ist, daß er mit zweihundertzwanzig Stundenkilometern und in bester Laune über den nächtlichen Militärring geschossen ist.
    Dann kam ihm was entgegen. Groß und grell.
    Die Kälte greift klamm nach Gabbert. Wieder muß er husten, kommt unsicher auf die Beine. Von Schwindel erfaßt, tastet er nach dem Wrack, das sich mit dem Baum zu einer bizarren Skulptur vereinigt hat. Als setze die Berührung einen Prozeß in Gang, weichen die Kopfschmerzen jäh einsetzender Erinnerung, und er sieht den Anhalter vor seinem geistigen Auge.
    Richtig! Er hat jemanden mitgenommen. Jemanden, der Probleme hatte.
    Aber warum?
    Erneut meldet sich der Paukenschläger und macht jeden klaren Gedanken zunichte. Gabbert wankt zu der offenen Tür und sieht in den Innenraum. Zuerst glaubt er, den Anhalter massig und mit deformierten Gliedmaßen daliegen zu sehen, aber es ist nur die Rückbank, die sich aus ihrer Verankerung gelöst hat. Niemand ist in dem Wagen.
    Gabbert schüttelt den Kopf und stolpert um das Wrack herum, mehrmals, bis er sicher sein kann, daß der andere verschwunden ist.
    Er war müde, das weiß er noch. Hat gähnen müssen. Kann es sein, daß er am Steuer eingedöst ist? Möglich, daß er sich alles eingebildet hat. Vielleicht gab es gar keinen Anhalter. Nur eine Vision, zu viel Alkohol, zu wenig geschlafen die letzten Nächte. Das würde verschiedenes erklären.
    Aber doch nicht bei Zweihundertzwanzig!
    Nein, er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher