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Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr
Autoren: Swati Avasthi
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nicht das, was wir machen sollen? Auf etwas, auf jemanden einschlagen. Sobald unsere Fäuste auf etwas treffen, fühlen wir uns besser, stimmt’s, Dad? Lass es raus. Bestrafe sie, damit sie es nicht wieder macht. Stimmt’s, Dad? So läuft es doch, oder?
    Ich könnte es tun. Ich bin nah genug. Rechter Haken. Soll er doch mal ein Veilchen erklären müssen. Wie ich es so oft musste. Fußball , hab ich gesagt, Prügelei , hab ich gesagt, Hockey, Basketball, Krocket .
    Wenn ich diesen Schlag ausführe, bin ich draußen. Er wird mich nicht eine Sekunde mehr in seinem Haus dulden, und er wird mich nicht verfolgen, mich nicht jagen, wie er es getan hat, als Christian davonlief. Es wird vorbei sein und alles, was ich tun muss, ist meinem Verlangen jetzt nachgeben.
    Ich krümme meine Finger und balle die Faust. Ich hole aus und schmettere meine Faust in sein Auge.
    Und es tut wirklich gut. Ein Achterbahnrausch. Gott, steh mir bei.
    Noch besser ist jedoch der überraschte Ausdruck in seinem Gesicht: Seine dünnen Lippen formen sich zu einem O, bevor sie zu einem unerbittlichen Strich werden. Mir wird klar, er hat nie damit gerechnet, dass einer von uns zurückschlägt.
    Er packt mich am Handgelenk, sein erster Schlag trifft mich genau an der Lippe und schleudert mich gegen den Kühlschrank. Mein Kopf trifft auf den Edelstahl. Ich sehe nur noch schwarz, als ich höre, wie er das Rollo herunterzieht. Jetzt wird er mich umbringen, da bin ich sicher. Er wird den Hammer aus der Garage holen oder einfach seine Hände um meinen Hals legen.
    Ich versuche, nicht das Bewusstsein zu verlieren, und zwinge meine Augen zu fokussieren. Alles ist verschwommen, aber ich tauche schnell genug ab und seine Faust kracht in die Kühlschranktür. Er schreit auf und ich sehe meine Chance. Ich packe seinen Arm und drehe ihn hinter den Rücken. Mein Knie, meine Faust in seine Nieren. Ja, ich mach ihn fertig. Ich möchte, dass meine Mom rüberkommt und ihm auch eine verabreicht, aber sie steht nur da, die Hände vors Gesicht geschlagen. Er stöhnt, aber jetzt kann ich nicht mehr aufhören. Schlag und Schlag und Schlag.
    Ich sehe seinen Haken nicht kommen. Ich verstehe nicht einmal, wie es passiert ist. Mein Kiefer pocht und ich taumele einfach nach hinten. Als ich gegen den Herd falle, knickt mein Kopf nach hinten und ich entdecke Fettflecken auf der Unterseite der Dunstabzugshaube, wo noch nie jemand darauf gekommen ist sauber zu machen. Jetzt ist er über mir und ich bekomme noch einen Schlag ins Gesicht ab. Als ich meine Arme hebe, um den Schlag abzuwehren, trifft mich ein weiterer in den Bauch. Mann, der schlägt dich noch k. o. Tu was, tu irgendwas . Seine Finger bohren sich in meine Schultern. Er reißt mich nach vorn und in diesem Moment knalle ich mit der Stirn gegen die Ecke der Kochinsel und breche zusammen.
    Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf dem Rücken und blicke auf die Beine meiner Eltern. Sie sitzen am Tisch. Der braune Pyjama meines Vaters mit den ausgefransten Hosen und die Waden meiner Mutter, die unter ihrem Nachthemd hervorgucken. Die nackten Füße hat sie übereinandergeschlagen.
    Meine Mom fleht: Bitte lass ihn bleiben, er ist dein Sohn, dein Fleisch und Blut. Nützt alles nichts. Ich bin draußen, das ist klar. Ich habe das Unvorstellbare getan – ich habe mich gewehrt. Nächstes Mal bin ich womöglich stärker.
    Ich halte mir die Hand gegen die Stirn und fühle das klebrige Blut. Ich versuche, nicht zu stöhnen, aber der Laut entkommt meiner Kehle.
    »Ich gehe«, sage ich. Meine Stimme ist klar.
    Er packt mich am Ellenbogen und zieht mich hoch. Die Deckenlichter rutschen die Wände hinunter und verschwimmen auf dem Tisch. Wo ist der Boden? Ich halte mich an der Anrichte fest und warte, bis mein Magen sich beruhigt hat. Ich blinzele. Er drückt mir etwas in die Hand – meine Kameratasche.
    »Walter, nein. Er kann doch kaum stehen.«
    Er packt mich wieder am Arm und zieht mich in Richtung Haustür, durch das Esszimmer – mein letzter Blick auf unseren Glastisch; durch das Wohnzimmer – ein letzter Blick auf die große Couch, auf der ich so gerne ein Nickerchen gemacht habe; durch die Diele, wo ich mich aus seinem Griff befreie, damit ich mit eigener Kraft aus der Tür gehen kann.
    »Ich brauche meinen Autoschlüssel«, sage ich.
    »Verschwinde.«
    »Meinen Schlüssel, Dad. Meinen Schlüssel.«
    Als er mich wieder packen will, trete ich selbst über die Schwelle. Die Septemberluft macht mir sofort eine
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