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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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Stimme weiter.
    Melica entspannte sich augenblicklich. Aller Schrecken, alle Überraschung wich in sekundenschnelle aus ihrem Körper und ließ nicht mehr als ein glückliches Lächeln zurück.
    „ Ich habe dich auch vermisst, Liv.“
    Die Tür sprang wieder auf und schlug ihr mit brachialer Kraft gegen die rechte Wange. Licht durchflutete die kleine Kammer. Schmerz schoss durch Melicas Körper.
    Isak streckte seinen Kopf durch den Türrahmen, musterte die beiden Schwestern besorgt. Das Misstrauen verschwand erst von seinen Zügen, als Melica ihm ein zögerliches Lächeln schenkte. „Fünf Minuten?“, bat sie leise.
    Isaks Nicken war kaum noch zu sehen, so schnell hatte er die Tür wieder vor sich zugezogen.
    Ein kühler Arm schlang sich um Melicas Taille und zog sie vorsichtig an eine weiche Brust. „Was willst du hier?“ Livs Frage war nicht mehr als ein Flüstern in Melicas Haar.
    „ Ich weiß es nicht“, antwortete Melica. „Ehrlich, Liv, seit ich ein Dämon bin, habe ich keine Ahnung, was überhaupt um mich herum geschieht. Ich tue einfach, was von mir verlangt wird. Aber woher wusstest du, dass ich noch lebe? Woher wusstest du, dass ich kommen würde?“
    Ein Glucksen drang an Melicas Ohren. „Ich bin vielleicht erst seit wenigen Jahren Dämonenjägerin, aber das bedeutet nicht, dass ich nichts über euch weiß. Damals, an dem Tag, an dem du zurückgekommen bist, nach deiner Entführung... ich habe sofort gesehen, dass du nicht länger menschlich bist. Was glaubst du, warum ich so aufgelöst reagiert habe? Und dann, als du plötzlich verschwunden warst, als alle sagten, du wärest tot, obwohl es keine Leiche gab... ich bin nicht dumm. Ich kann durchaus eins und eins zusammenzählen“, sagte Liv ruhig. „Und warum ich hier in dieser Abstellkammer auf dich warte? Als ich nach Hause gekommen bin, saßen auf einmal irgendwelche Dämonen in unserer Küche. Ich wollte sie umbringen, aber Mutter hat mich mit irgendeinem Zauber aus der Küche verbannt. Wusstest du eigentlich, dass sie eine Hexe ist? Wie dem auch sei, ich habe die Dämonen über dich reden gehört. Ich wusste, dass du früher oder später auftauchen würdest. Und der Weg von der Haustür zu Küche führt nun einmal an dieser Kammer vorbei.“
    Liv legte eine kurze Pause ein, bevor sie weitersprach: „Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mit heftigerem Widerstand von dem Dämon gerade eben gerechnet. Ich hätte nicht gedacht, dass er uns miteinander reden lässt.“
    „ Isak?“, Melica lächelte müde. „Der ist schon in Ordnung.“
    „ Er kam mir merkwürdig vertraut vor. Auch wenn ich ihn nur Sekunden gesehen habe.“
    „ Das wundert mich nicht.“ Mehr sagte Melica nicht. Zumindest nicht zu dem Thema. Stattdessen stellte sie eine Frage, die ihr schon seit Wochen unter den Nägeln brannte und die ihr so gut wie jede Nacht den Schlaf raubte. „Liv... Bitte sei ehrlich. Wie geht es euch? Papa und ich hatten nie den besten Draht zueinander, aber bei dir und Paula... bei euch war das einfach was anderes!“
    „ Es war weniger schlimm, als du vielleicht denkst. Zumindest für mich, schließlich wusste ich, wie groß das Risiko für jemanden wie ihn ist. Außerdem ist gleichzeitig mit Vater auch Mutter verschwunden. Sie hat uns einfach allein gelassen. In diesem ganzen Stress wegen der Beerdigung und den ganzen anderen Formalitäten, um die ich mich zu kümmern hatte, hatte ich gar keine Zeit, um großartig traurig zu sein.“ Die Bitterkeit in Livs Stimme ließ Melica das Gesicht verziehen. „Und Paula... die Kleine ist stark, Mel. Sie ist genauso stark wie du. Sie wird es bald verkraftet haben.“
    Endlich erlaubte sich Melica, Erleichterung zu empfinden. Livs Worte waren wie Balsam für ihre angeknackste Seele. Nicht nur, dass es ihren Schwestern besser zu gehen schien als erhofft – Liv hatte auch noch gewusst, dass Melica lebte.
    Sie würde nicht daran kaputtgehen, wenn Melica erneut verschwand, ihr würde Melica nicht das Herz brechen, sie nicht in den Abgrund stoßen, wie sie es schon Jim hatte antun müssen.
    Doch etwas an Livs Worten störte Melica dennoch. „Ich bin nicht stark“, widersprach sie entschieden. „Ich bin alles andere als das.“
    „ Du lebst noch. Das zeigt doch, dass du dich irrst.“
    „ Pures Glück hat rein gar nichts mit Stärke zu tun.“
    „ Ich spreche nicht davon, dass du es geschafft hast, nicht umgebracht zu werden. Natürlich weiß ich, wie hart die vergangenen Monate für dich gewesen sein
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