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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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worauf der blonde Dämon schnurrgerade zusteuerte, brach sie die Stille: „Wir verlassen das Antrum?“ Ihre Worte klangen nur halb so gelassen, wie sie gehofft hatte. Stattdessen schwang unüberhörbare Panik in ihr mit.
    Seit sie Jim in dieser grottenartigen Höhle vor Verzweiflung halb ohnmächtig aufgefunden hatte, hatte sie keinen Schritt mehr aus den schützenden Wänden des Antrums gewagt. Sie wollte nicht weg, konnte nicht weg! Das Antrum war ihr sicherer Hafen, hier lag ihr Anker, hier war ihr noch nie etwas zugestoßen, das nicht nur für sie, sondern für die gesamte Welt weitreichende Folgen hatte. Im Gegensatz zu der großen, weiten Welt dort draußen, fühlte sie sich hier geschützt.
    „ Ja.“
    Melica würde nicht darauf wetten, doch sie war sich fast sicher, einen Hauch von Schadenfreude in Jonathans Stimme gehört zu haben. Obwohl. Doch, sie würde darauf wetten! Denn das kühle Grinsen, das ihr der Dämon zuwarf, sprach Bände. Aus irgendeinem Grund schien Jonathan wütend auf sie zu sein.
    Melica verdrehte genervt die Augen. „Bist du immer noch nicht darüber hinweg, dass die Schattenkrieger mich, dumme Kuh, in den Zirkel gewählt haben und nicht dich Musterdämon?“
    Jonathans Miene wurde mörderisch und wenn er nicht so ein Waschlappen gewesen wäre, hätte Melica vielleicht sogar Angst bekommen. So jedoch seufzte sie nur leise, wandte sich ab.
    Nachdem Yvonne den kleinen Schalter in der Mauer betätigt und die Plattform heruntergefahren hatte, hielt Jonathan ihnen sogar die Tür auf. Er mied Melicas Blick jedoch entschieden, starrte eisern an ihr vorbei. Nur mit Mühe verkniff sich Melica einen Kommentar, sondern stieg schweigend neben Yvonne auf die Plattform.
    „ Isak wartet oben auf euch“, erklärte Jonathan. Dann schloss sich die Tür und ließ die beiden Frauen allein.
    „ Was meintest du damit?“ Melica verlor keine Zeit.
    Ganz im Gegensatz zu Yvonne, die es verzog, erst einmal gar nichts zu sagen.
    Würde man Melicas Freunde und Familie fragen, welche Eigenschaften sie ihr wohl zuschrieben, dann kämen wohl eine ganze Menge zusammen. Wahrscheinlich könnte man sogar jedem Buchstaben des Alphabets irgendeine Bezeichnung zuordnen, angefangen von intelligenten Adjektiven wie „affenstark“ bis hin zu „zynisch“. Eine Sache würde jedoch wohl niemand jemals mit ihr in Verbindung bringen. Geduld. „Yvonne?“
    „ Was meinte ich womit?“ Offenbar war sie doch nicht kurzfristig ertaubt, wie Melica für einige Sekunden befürchtet hatte.
    Während die Tür des Schachtes wieder aufglitt und den alten, heruntergekommenen Bauernhof freilegte, sagte Melica ruhig: „Du meintest, ich wäre verweichlicht.“
    „ Das habe ich nie gesagt“, widersprach Yvonne.
    Hatte sie nicht? Melica schüttelte leicht den Kopf. Mehr tat sie nicht. Warum auch? Yvonne konnte ihre Worte so viel abstreiten, wie sie wollte – Melica wusste, was sie gehört hatte.
    Aber wen interessierte das schon? Außerdem war „verweichlicht“ nicht einmal die schlimmste Beleidigung, die ihr in den letzten Wochen an den Kopf geworfen worden war. Noch nicht einmal annähernd.
    Dicke, weiße Flocken legten sich vereinzelt auf ihr Gesicht. Offenbar hatte selbst der Himmel begriffen, dass jede Wärme, jeder Sonnenstrahl eine gigantische Lüge wäre. Nicht einmal der Himmel gab ihnen noch Hoffnung, hatte endgültig mit ihnen abgeschlossen. Dass er Schorfheide dabei in eine wunderschöne Traumlandschaft verwandelte, freute Melica nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil. Melica hasste wunderschöne Traumlandschafen. Sie gingen ihr auf die Nerven und am liebsten würde sie sie in Brand setzen. Bedauerlich, dass sie bei Luzius Beschwörung all ihre Hexenkräfte verloren hatte und für die Suche nach einem Streichholz und einem Benzinkanister fehlte ihr einfach die Zeit.
    „ Da seid ihr ja endlich.“ Isaks vorwurfsvolle Stimme hallte nur gedämpft über die von Schnee bedeckte Erde.
    Als Melica müde den Kopf hob, schenkte er ihr ein kleines Lächeln. Melica verzog keine Miene. Stattdessen musterte sie Isaks hellen Pullover und seine beige Jeans übellaunig. So wie es aussah, war Jonathan wohl nicht der Einzige, der nicht verstehen konnte, wann festliche Kleidung angemessen war und wann nicht. Himmel – musste Isak eigentlich immer wie ein gottverdammter Hippieengelverschnitt aussehen? Verstand er nicht, dass sie verloren hatten?
    Sie beide trugen die Schuld daran, dass die Welt tagtäglich einen Schritt näher auf den
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