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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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Abgrund zusteuerte. Und dann... helle Kleidung? War das sein ernst? Sie waren Dämonen, verdammt noch mal!
    Leichte Beunruhigung breitete sich auf Isaks Gesicht aus, als er ihrem kritischen Blick begegnete. Er wagte es jedoch nicht, etwas dazu zu sagen. Stumm deutete er auf das kleine, weiße Auto, das wie immer direkt vor dem Antrum geparkt war. Und ohne ein einziges Wort schritt Melica darauf zu, öffnete lautlos die Beifahrertür und ließ sich auf den harten Sitz fallen. Dann schloss sie die Augen.
    Sekunden später hörte sie, wie die Fahrertür aufgezogen wurde.
    „ Nähmest du es mir sehr übel, wenn ich sagen würde, ich hätte bereits Kinder in meiner Praxis behandelt, die sich erwachsener verhalten haben als du?“
    „ Ich würde dich dafür hassen.“ Und das war kein Scherz.

~*~
    Melica erkannte das Ziel erst, als es bereits zu spät war. Man könnte fast meinen, all das Eis um sie herum wäre in ihren Körper gedrungen, so entsetzlich kalt wurde ihr mit einem Mal. Fröstelnd schlang sie die Arme um sich, hoffte, wenigstens so etwas an Wärme zu gewinnen. Hoffte, dass sie sich irrte. Hoffte, dass sie träumte. Denn, was auch immer das hier sollte – sie war dagegen. Mit jeder Faser ihres Herzens.
    „ Niemals! Bitte, Isak! Tu das nicht!“ Entsetzen lähmte ihre Stimme. Sie hauchte nur, konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, dass überhaupt ein Ton ihre Lippen verließ.
    „ Niemals?“, wiederholte Yvonne aus Richtung Rückbank. Offenbar hatte man Melica doch hören können. Hören, aber nicht verstehen.
    Natürlich – niemand würde wohl nachvollziehen können, warum Melica beim Anblick eines einfachen Hauses dermaßen aus der Fassung geriet. Gut, die Bezeichnung „Haus“ traf wohl nicht hundertprozentig zu, aber... trotzdem.
    „ Das kannst du vergessen, Isak! Ernsthaft!“ Hilflos musste Melica mitansehen, wie ihr Onkel das Auto unbeirrt die lange Einfahrt entlanglenkte.
    „ Es tut mir leid. Ich habe mir das auch nicht ausgesucht.“ Dafür, dass es ihm angeblich leidtat, klang seine Stimme erstaunlich gelassen.
    „ Was ist hier überhaupt los?“, fragte Yvonne.
    Melica ignorierte sie gekonnt. Sie war auch viel zu sehr damit beschäftigt, die prächtige Villa vor sich schreckerfüllt anzustarren. Seit damals hatte sich nicht viel verändert. Damals, als sie noch ein Mensch gewesen war, damals, als das Leben noch lebenswert gewesen war. Melica schluckte schwer, riss mühsam ihren Blick von ihrem ehemaligen Zuhause los.
    Sie hatte sich getäuscht. Isak schien tatsächlich nicht ganz glücklich zu sein. Ein Hauch von Mitgefühl lag in seinen hellen Augen, als er das Auto zum Stehen brachte und den Schlüssel herauszog. Langsam wandte er ihr den Kopf zu. „Du musst mit hineinkommen. Das ist deine Pflicht“, sagte er dann.
    „ Pflicht hin oder her! Nein, Isak! Einfach nein!“
    „ Du musst!“
    „ Ich muss gar nichts. Der Einzige, der hier etwas muss, bist du. Und zwar musst du einsehen, dass das hier total der Unsinn ist! Du kannst doch unmöglich zulassen, dass ich Paula und Liv so etwas antue! Die halten mich für tot, verdammt nochmal!“
    Ein lautes Klopfen neben ihrem Ohr ließ Melica zusammenfahren. Erschrocken riss sie ihren Kopf zur Seite. Was sie jedoch sah, verdiente nicht mehr als ein genervtes Augenrollen.
    Gregor. Wie immer in eine seiner selten hässlichen Roben gehüllt stand er vor ihrer Tür und lächelte ihr freundlich entgegen. Hätte Melica nicht schon seit Wochen nichts mehr gegessen, hätte sie brechen können.
    „ Ich hätte wissen müssen, dass dies eine seiner vielen dummen Ideen ist“, murmelte Melica in ihren nicht vorhandenen Bart hinein. Dann zog sie die Tür auf. „Es macht Ihnen richtig Spaß, mir wehzutun, nicht wahr?“
    Sie sah Gregor direkt in die Augen, während sie sprach, weshalb ihr keine seiner Regungen entging und war sie noch so winzig. Gut, in diesem Fall hätte sie wohl auch wie eine Irre vor sich hinschielen und im Geiste alle bedeutenden Gedichte Von der Vogelweides rezitieren können – sie hätte die Schadenfreude gar nicht übersehen können.
    Allerdings hatte sich Gregor bemerkenswert schnell wieder im Griff. „Sie wissen genauso gut wie ich, dass es mir keinen Spaß macht, Ihnen Schmerzen zu bereiten“, entgegnete er ruhig und trat einen Schritt zurück, um Melica aussteigen zu lassen.
    Sie blieb sitzen.
    „ Warum sind wir überhaupt hier, Gregor?“, fragte Yvonne, während sie ungelenk aus dem Wageninneren kletterte. Sie
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