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Kein Opfer ist vergessen

Kein Opfer ist vergessen

Titel: Kein Opfer ist vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Harvey
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schwarzen Schränken beherrscht. Auch in die Tür des Kühlschranks war gleich über dem Griff ein Tastenfeld eingelassen – diesmal allerdings leider ohne Fettabdrücke.
    »Was meinst du?«, fragte Havens.
    Ich gab die Kombination der Eingangstür ein. Nichts. Ich versuchte es ohne das Nummernzeichen. Noch mal nichts.
    »Probier’s mal in der anderen Reihenfolge«, schlug Havens vor.
    »Was versprichst du dir davon?«
    »Mach es einfach. Diesmal aber mitsamt dem Zeichen.«
    Ich gab nach. Die Tür sprang auf.
    »Techniker«, sagte Havens. »Phantasielose Idioten.«
    Als wir in den Kühlschrank traten, ging ein Lämpchen an. Wir sahen Metallfächer, auf jedem zehn bis fünfzehn Reagenzgläser. Ich nahm eins heraus. Es enthielt eine gelbliche Flüssigkeit. Ich las die Angaben auf dem aufgeklebten Etikett.
    Person 26 D

25. 8. 06

Spermien, kein Verfallsdatum.
    —
    »Was sagst du dazu?«, fragte ich.
    »Ganz schön schräg.«
    »Weiter nichts?«
    »Ich dachte, dass Spermien ein paar Stunden nach der Ejakulation zerfallen.«
    »Aber die DNA kann man vielleicht trotzdem nachweisen«, sagte ich. »Das würde genügen, um einen Tatort damit zu präparieren.«
    Havens griff nach dem nächsten Reagenzglas. Auf diesem Etikett stand:
    Person 3 B

Blut, Verfallsdatum 2013, siehe Personenübersicht.
    Havens legte das Glasröhrchen zurück. »Da kommt mir ein Gedanke.« Er verließ den Kühlschrank und beäugte die schwarzen Schränke. »Abgeschlossen«, murmelte er. »Aber nur mit Schlüsseln.«
    »Suchst du was Bestimmtes?«
    »Ja, den Code, der mir sagt, was in dem Kühlschrank ist. Ich will die Namen der Personen. Was meinst du, wie lange sind wir schon hier drin?«
    »Seit etwa fünf Minuten.«
    »Dann haben wir noch Zeit.«
    Havens lief zügig aus dem Schuppen und joggte über den Pfad zum Haus zurück. Ich folgte ihm. Die Hintertür war abgeschlossen, doch das kleine Fenster daneben stand einen Spaltbreit offen. Wir stießen es auf, zwängten uns hindurch und fanden uns in einem Wohnzimmer wieder. Es war ein großer, schäbiger Raum, mit einem langen Plüschsofa am anderen Ende, zwei Beistelltischen und einem Sesselpaar. Nirgendwo hingen Bilder. Auch sonst gab es keine Hinweise darauf, dass hier jemand lebte. Nur eine Katze saß auf dem Kaminsims und miaute uns an. Havens durchquerte das Zimmer und verschwand in dem angrenzenden Flur. Ich lief hinterher und entdeckte ihn in einem kleinen Arbeitszimmer, das fast ganz von einem Metallschreibtisch eingenommen wurde.
    »Hier müssen sie sein«, sagte Havens.
    »Was?«
    »Ich sag es noch mal, Techniker. Leute ohne Phantasie. Entweder hat Finn die Schrankschlüssel bei sich, oder sie liegen irgendwo hier im Haus. Und wenn sie sie mitnimmt, könnten hier noch Ersatzschlüssel sein.«
    Er zog die Schreibtischschubladen eine nach der anderen auf und kramte in jeder herum. In der untersten fand er einen kleinen Ring mit mehreren Schlüsseln daran und ließ sie vor meiner Nase klimpern. »Was sagst du nun?«
    »Dass es einen Versuch wert ist.«
    »Aber so was von.«
    Wie der Wind waren wir wieder im Schuppen. Alles schien noch so, wie wir es verlassen hatten. Havens probierte die Schlüssel nacheinander am ersten Schrank aus. Der dritte Schlüssel drehte sich, die Tür ging auf.
    »Ich glaub, ich sehe nicht recht«, sagte Havens. Ich schaute ihm über die Schulter. Auf den Schrankregalen stapelten sich Videokassetten, die nach Themen sortiert waren.
    Todesfälle (Trunkenheit am Steuer, Unfälle, Morde)

Vergewaltigung (Dates, Unbekannte)

Sex (Prostituierte, Ehefrauen, Freundinnen, sämtlich erwachsen)

Kinder
    —
    Ich griff nach einer Kassette aus der Kategorie »Sex«. Sie war wie die Reagenzgläser beschriftet worden.
    Person 11 A

5. 4. 95, Pony Lounge Motel, Lombard, Dreier.
    Havens widmete sich dem Nachbarschrank. Als er ihn geöffnet hatte, trat ich zu ihm. Wieder sah ich Videokassetten, ebenso einen Stapel brauner Ordner, auf deren Rücken »Fotos« stand. Ich bückte mich und entdeckte eine Mappe mit der Aufschrift »Zombrowski«. Ich schob sie unter mein Hemd. Havens war bereits mit dem dritten Schrank zu Gange und stöberte darin herum.
    »Ist da was?«, fragte ich.
    »Kann sein.« Im trüben Licht der kleinen Deckenlampe hielt er ein schwarzes Moleskine-Notizbuch hoch. Rechts unten auf dem Deckblatt klebte ein rotes Etikett, mit der Aufschrift »Mastercode«. Wir kehrten in den großen Raum zurück und setzten uns nebeneinander an den langen Tisch. Havens schlug die

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