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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt
Autoren: Julian May
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drückte den obersten der fünf Knöpfe auf dem Schwertgriff und stellte damit die Waffe auf höchste Leistung. Die Anzeige sagte ihm, daß der Energievorrat nur noch für zwei Schüsse mit diesem Potential reichte. Dann würde die Waffe leer sein.
    »Hast du es satt, König zu sein? Hast du es satt, jene, die dich hassen und fürchten und verachten, zu koerzieren? Männlein! Betrüger! Erfolgloser Ränkeschmied! Verräter an Ehre und Adel und Schönheit!«
    Ein ungeheuerlicher Lichtausbruch verschlang Aiken und seinen Schirm und grub einen Krater in das glatte Meer. Dann stieg ein Chaos aus wirbelnden Dämpfen hoch, und tief in ihnen wechselte ein pulsierendes gol-

     
    denes Leuchten mit einem plötzlichen Aufzucken im tiefsten Karminrot ab.
    Nodonn wartete. Endlich sprang eine glatte Kugel aus dem Gebrodel, jetzt so dunkelrot wie gerinnendes Blut. Sie war kaum noch groß genug für die kleine Gestalt in der matt gewordenen Rüstung, die ihre Glaslanze umklammerte.
    »Komm schon!« forderte Apollo. Die Blase stieg langsam hoch. Aikens Visier war geöffnet, sein Gesicht wie ein Totenkopf, über den sich scharlachrote Haut spannte, seine Augen tief wie Brunnen.
    Nodonn rief: »Willst du schweigend in den Tod gehen?« Das Schwert war bereit. »Dann gut!« Für den letzten Streich sammelte Nodonn alle Energien seines Gehirns und schleuderte sie gleichzeitig mit dem auf volle Leistung gestellten Strahl der Photonenwaffe. Ein schimmernder Plasma-Nebel umhüllte gleißendes Grün und Weiß. Ein Donnerschlag peitschte die Atmosphäre und schickte Echos endlos zwischen den Hügeln von Armorica und dem bretonischen Hochland jenseits der breiten Meeresstraße hin und her.
    Aiken war da. Ohne Schirm. Golden.
    »Nein«, sagte der Schlachtenmeister.
    Der Leuchtende lächelte, und sein Geist stand weit offen. Und Nodonn erkannte verzweifelnd, daß das alles geplant gewesen war. Ihm war erlaubt worden, sein Äußerstes zu leisten, damit jene, die zusahen, die endgültige Bestätigung erhielten - entweder durch Fernwahrnehmung oder durch das Zeugnis ihrer eigenen Augen.
    Aiken löste den Gurt, an dem der Energiepack des Speers hing, und entfernte den Apparat von seinem Körper. Bewegungslos im heller werdenden Morgenlicht festgehalten, spürte Nodonn einen heimtückischen PK-Impuls an seinem eigenen Wehrgehenk arbeiten. Die Gurte glitten ihm von den Schultern, der Griff des Schwerts wurde ihm aus der kraftlosen Hand gewunden. Gleichzeitig flog der Speer von Aiken weg, und beide Waffen verschwanden.
    Nodonn nahm den Helm ab. Er stand aufrecht in der Luft. Sein schirmender Nimbus war bei seinem letzten Streich gegen den König verdunstet, aber sein Körper strahlte sonnenhell.
    Aiken war ein nackter Stern.
    Seine Gedanken faßten nach Nodonn. »Ich brauche deine Kraft auch«, war alles, was er sagte.
    Apollo flammte auf, und dann verging er. Übrig blieben nur graue Asche und eine geschwärzte Silberhand, die aufs Meer hinabfiel, und ein letzter verblassender ironischer Gedanke.
    Der König des Vielfarbenen Landes fing die Hand auf. Die Sonne erhob sich hinter der Glasburg, und sein Volk sang ein Lied, das für ihn sein mochte.
    Das hat gereicht, dachte er, und flog nach Hause.

    ENDE DES VIERTEN TEILS

Epilog
    Auf Ocala Island war es immer noch Nacht.
    Die Baumfrösche spielten Ouvertüren zu der herbstlichen Paarungszeit. Glühwürmchen schimmerten in den Jakarandabäumen neben der Veranda. Der Mond, bronzefarben und niedrig, schien Marc Remillards hämisches, einseitiges Lächeln widerzuspiegeln.
    »Hattest du damit gerechnet?« fragte Patricia Castellane.
    Langsam erhob er sich von seinem Faltstuhl und streckte sich, der perfekte metapsychische Wagnerianer. »Im großen und ganzen schon. Der Trick mit der mentalen Absorbierung war - ungewöhnlich. Die Poltroyaner hatten in der Zeit vor ihrer Erleuchtung die Gewohnheit, sich auf ähnliche Art an ihren Feinden zu mästen, ich habe jedoch nie gehört, daß ein Mensch es getan hat. Ziemlich ausgefallen. Aber interessant ...«
    Sie trat neben ihn. Sein Geist war voll von den Erinnerungen an das eben in Europa abgelaufene Drama. Die bewußten Ebenen waren wieder ruhig, diamanthart oberhalb der Narben. »Ich bin so froh, daß es dir bessergeht«, sagte sie. »Ich habe Angst gehabt.«
    Sein Lachen klang sorglos, voll von der alten spielerischen Kraft. »Du solltest inzwischen wissen, daß man Abaddon nicht so leicht umbringen kann. Ich bin überrascht worden. Das wird nicht wieder
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