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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg
Autoren: Kehrer
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kennen, nur daß mir das Codewort fehlte, um in den Teil des Gehirns zu gelangen, in dem sie gespeichert war. In solchen Fällen schlendere ich gerne herum.
    Ich schlenderte also hinkend durch die City von Warenfeld, an einem Bach entlang, den die Einheimischen sicher Fluß nennen, durch einen sorgsam gepflegten Park, in dessen Mitte eine Büste von Annette von Droste-Hülshoff stand (lieblich wie auf allen Bildern, dabei konnte die Droste die schrecklichen münsterschen Normalos nicht ausstehen).
    Zwischendurch nahm ich in einer rustikal eingerichteten Pommesbude ein verspätetes Mittagessen zu mir. Danach mußte ich von dem Hamburger spezial (mit extra viel Zwiebeln) dauernd aufstoßen, was aber, da ich alleine schlenderte, möglich war, ohne daß ich sozial auffällig wurde.
    Später setzte ich mich vor die einzige italienische Eisdiele des Ortes und aß einen Erdbeerbecher. Noch später trank ich an selber Stelle einen Cappuccino und rauchte dazu zwei Zigarillos. Mit anderen Worten: Ich genoß einen milden Spätsommernachmittag, aber der Groschen fiel nicht.
    Dann sah ich den Gemeindedirektor. Doktor Kleinmann stürzte aus dem Rathaus und rannte zu seinem dicken Benz, der auf dem gemeindeeigenen Parkplatz geparkt war. Sein Gesichtsausdruck oszillierte zwischen Wut und Panik. Sieh an, dachte ich, es gibt noch jemanden, der Probleme hat.
    Er fuhr an der Eisdiele vorbei, ohne mich zu bemerken. Es dämmerte bereits, die Tage wurden wieder kürzer.
    Ich zahlte und bewegte mich hinkend zu meinem Auto. Es war nur eine Schnapsidee, aber ihre Umsetzung kostete nichts, abgesehen von einem halben Liter Benzin und einer neuerlichen Begegnung mit der freien Natur.
    Ich fuhr zur Villa Große-Hülskamp, das heißt, ich fuhr um sie herum. Auf einem Feldweg stellte ich den Wagen ab und kletterte den Hügel hinauf. Es gab keinen Weg, nicht einmal einen Trampelpfad, sondern nur Gebüsch, mit und ohne Dornen. Ich begann, an der Weisheit meines Entschlusses zu zweifeln, aber da ich bereits Zweidrittel der Strecke geschafft hatte, lohnte es sich nicht umzukehren.
    Der Salon der Villa war hell erleuchtet. Und da saßen sie alle vier: Alfons Große-Hülskamp, Ludger Große-Hülskamp, Willi Voß und Doktor Kleinmann.
    Es war kein Problem, unter die Fenster zu kommen. Doch meine Hoffnung, ihr Gespräch belauschen zu können, erfüllte sich nicht. Die Thermopen-Fenster ließen nur zerhackte Wortfetzen nach draußen.

XIX
    Ich ging um das Haus herum, entfernte ein paar Pflanzenbüschel von meinem Jackett und klingelte. Klara, die Haushälterin, stellte sich breitbeinig in die Haustür.
    »Was wollen Sie denn?«
    »Haben Sie Ihre gute Kinderstube vergessen, Klara? Es heißt: Guten Abend, Herr Wilsberg! Was wünschen Sie bitte?«
    »Sie haben hier nichts verloren.«
    »Oho«, machte ich. »Ist das eine Anweisung von Herrn Große-Hülskamp, dem Älteren?«
    Sie wollte die Tür wortlos schließen, deshalb setzte ich schnell nach: »Sie machen einen Fehler, Klara. Ich habe Herrn Große-Hülskamp etwas Wichtiges zu sagen.«
    »Das glaube ich kaum.« Sie sprach durch den Türspalt. »Außerdem hat er Besuch.«
    »Ich weiß. Bestellen Sie ihm nur ein Wort: Viererbande.«
    Die Tür ging zu. Ich steckte mir einen Zigarillo an und staunte über meine Tollkühnheit (oder war ich einfach nur unvorsichtig?).
    Zwei Minuten später blieb mir keine Zeit mehr zum Grübeln. Klara winkte mich gebieterisch herein und schnüffelte mißbilligend, als ich den Zigarillo an ihr vorbeitrug.
    »Hier entlang!« Sie geleitete mich stampfend zum Salon.
    Die vier Herren saßen etwas verkrampft in ihren Sesseln. Im Raum herrschte eisiges Schweigen. Ich sagte »Guten Abend!« und bekam kein Echo. Also setzte ich mich und guckte erwartungsvoll von einem zum anderen.
    Alfons redete als erster: »Was soll das heißen, Wilsberg: Viererbande?«
    Ich räusperte mich. »Nun, als ich vorhin durchs Fenster schaute, kam mir eine Erleuchtung.«
    Alle vier blickten gleichzeitig zum Fenster. Gegen solche Reflexe kann man nichts machen.
    Ich lächelte. »Sie haben ein gemeinsames Interesse: Sie wollen die Grohü GmbH um jeden Preis erhalten. Und Jochen stand Ihnen im Weg. Zum einen, weil er wegen der halb- oder illegalen Exportgeschäfte der Firma Skrupel bekommen hatte, zum anderen, weil er wegen seiner homosexuellen Neigungen erpreßbar war und die Gefahr bestand, daß er zur Rettung der Familienehre einen Teil des Firmenvermögens an zwielichtige Gestalten verschleudern würde. Fragen
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