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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg
Autoren: Kehrer
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Warenfeld. Dabei stolperte ich über zwanzig Wurzeln, fiel in vier Gräben und zerkratzte mir die wenigen Stellen an Gesicht und Händen, die noch unverletzt waren. Unterwegs schwor ich, Waldspaziergänge aus der Liste meiner Freizeitvergnügen zu streichen.
    In Warenfeld gab es natürlich kein Taxi, und der erste Bus fuhr, wie ich dem Fahrplan entnahm, um sechs Uhr morgens. Bis dahin versteckte ich mich in der Kirche. In ihr war es gruftig kalt, und ich fror in meiner zerrissenen, durchgeweichten Kleidung. Eine Begegnung der dritten Art hatte ich nicht, aber ich war schon froh, daß es mir nicht so erging wie seinerzeit Rupp Rüpel, der den Küster erschrecken wollte, dabei sich selbst reinlegte und für hundert Jahre als Untoter an die Kirchenmauer gestellte wurde.

    Nach einer solchen Nacht ist jeder Busfahrer dein Freund. Meiner sah fett und unausgeschlafen aus. Ich zählte das Fahrgeld auf die Ablage, und er sagte, ich solle die Sitze nicht schmutzig machen.

XXI
    Ich nahm eine Dusche, verklebte den größten Teil der Riß- und Platzwunden mit Pflastern und fuhr mit einem Taxi zum Polizeipräsidium. Es war mir ein persönliches Bedürfnis, die vier Warenfelder Galgenvögel so schnell wie möglich von Stürzenbecher verhaften zu lassen.
    Er war noch nicht in seinem Büro, und ich fuhr mit dem Aufzug hinauf in die Kantine, wo ich, beobachtet von mißtrauischen Ordnungshütern, ein schnelles Frühstück zu mir nahm.
    Beim zweiten Versuch traf ich meinen alten Kumpel an. Er betrachtete aufmerksam mein Gesicht und sagte dann: »Mein Gott, Georg, du solltest etwas kürzer treten.«
    »Ich weiß, wer Jochen Große-Hülskamp umgebracht hat«, konterte ich. Und dann legte ich los.
    Er hörte konzentriert zu, nickte ein paarmal und sagte schließlich: »Wenn ich dich richtig verstanden habe, glaubst du, daß die vier den Mord gemeinsam begangen haben.«
    »Was heißt ›ich glaube‹? Sie haben es praktisch zugegeben.«
    »Praktisch oder tatsächlich? Hat einer von ihnen ausdrücklich gesagt, daß er an dem Mord beteiligt war?«
    »Nein, so natürlich nicht. Aber es stand unausgesprochen im Raum. Es gab gar keinen Zweifel.«
    Stürzenbecher wiegte bedenklich den Kopf. »Für dich vielleicht. Aber was ist, wenn die vier das anders sehen?«
    »Hier!« Ich zog meinen Abschiedsbrief aus der Tasche. »Glaubst du, daß ich so etwas freiwillig schreibe?«
    Er setzte seine Brille auf und las. »Na gut. Ich will dir ja gerne glauben. Ein Beweis ist das allerdings nicht. Du könntest den Brief überall geschrieben haben.«
    »Laß ihn im Labor untersuchen! Du wirst Fingerabdrücke von Ludger Große-Hülskamp darauf finden. Und in der Villa in Warenfeld gibt es den dazugehörigen Block und den passenden Kugelschreiber. Das könnt ihr mit euren Methoden doch alles feststellen.«
    »Schon. Wenn wir den Block und den Kugelschreiber finden.«
    »Und dann müßten sich Spuren vom Gewebe meiner Kleidung in dem Kellerraum befinden. Ganz zu schweigen von meinem Blut an der Wand der Kellertreppe.«
    Er nickte bedächtig.
    Ich verlor langsam die Beherrschung. »Sag mal, auf welcher Seite stehst du eigentlich?«
    Er holte tief Luft. »Keine Sorge, Georg. Ich bin fest davon überzeugt, daß alles so gelaufen ist, wie du erzählst. Aber das enthebt uns nicht von der Pflicht, die Geschichte auch zu beweisen. Mal angenommen, die vier haben sich nach deiner Flucht verabredet. Dann hat jeder von ihnen drei Zeugen für seine Version, und du hast nichts in der Hand. Das Briefpapier kann man verschwinden lassen, und das Blut läßt sich abwaschen. Und selbst wenn wir Blut finden – wer sagt denn, daß du es nicht absichtlich an die Wand geschmiert hast?«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich von dem Schock zu erholen. »Hast du etwa Angst vor einem Gemeindedirektor und einem Unternehmer?«
    »Nein. Der Staatsanwalt ist allerdings überzeugt, daß die Indizien für eine Mordanklage gegen Winkelkötter und Texas Joe ausreichen. Ich weiß nicht, ob ich ihn für neue Ermittlungen begeistern kann.«
    »Kleinmann«, sagte ich. »Er ist die schwache Stelle. Bei ihm mußt du anfangen.«
    Stürzenbecher nickte. »Geh erstmal nach Hause und schlaf dich aus. Du mußt dich erholen.«
    Ich fühlte mich plötzlich unendlich müde.
    »Übrigens«, sagte Stürzenbecher, »der Mord an Tom ist aufgeklärt. Der Mörder hat gestanden.«
    »Was?« flüsterte ich.
    »Ein Triebtäter, der sich an Jungs vergeht. Anscheinend war Tom der erste, den er anschließend
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