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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg
Autoren: Kehrer
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bin sowieso schon viel zu weit gegangen. Ich muß an meine Familie denken.«
    Voß und Ludger sprangen auf mich los. Gegen zwei gesunde Männer hatte ich natürlich keine Chance. Ich zog Ludger meinen Stock über den Schädel, aber da hatte mich Voß schon im Klammergriff.
    Währenddessen sagte Alfons zu Kleinmann: »Hören Sie zu, Sie Hosenscheißer! Wir gehen überhaupt kein Risiko ein. Er hat keine Zeugen. Selbst wenn wir ihn laufenlassen, kann er uns nichts.«
    »Dann können Sie mich auch sofort laufenlassen«, keuchte ich.
    Ludger revanchierte sich für den Stockschlag mit zwei gezielten Tritten in den Unterleib. Ich heulte auf. Dann drückten sie mir ein Kissen auf das Gesicht. Ganz allmählich ging mir die Luft aus.
    Auf der Kellertreppe kam ich wieder zu mir. Ludger trug meine Beine, und Voß hatte mich unter den Armen gepackt. Ich strampelte ein bißchen herum, bis Voß meinen Kopf gegen die Kellerwand klatschte. Das gab eine Platzwunde, und das Blut lief mir in die Augen.
    Sie schleppten mich in einen Kellerraum und setzten mich auf einen Stuhl. Dann banden sie mir die Hände hinter der Rückenlehne zusammen und zogen das Seil auch noch um die Füße. Zum krönenden Abschluß stopften sie mir einen Knebel in den Mund und befestigten ihn mit einem Klebestreifen. Das Ganze geschah wortlos. Sie arbeiteten an mir wie an einem ihrer verdammten Werkstücke.
    Voß betrachtete das Ergebnis mit einem Schnalzen. »Der macht nichts mehr.«
    Ludger konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Viel Spaß, Schwager!«
    Der Schlüssel drehte sich im Schloß, das Licht ging aus. Ich saß im vollkommenen Dunkel und fühlte mich wie eine Wachsfigur im Gruselkabinett der Madame Tussaud. Zwei Morde aufgeklärt und einen vorbereitet, nämlich den an mir selbst. Eine saubere Tagesbilanz.

XX
    Drei Tage oder drei Stunden später kamen sie zurück. Anscheinend war der erweiterte Familienrat zu einer Entscheidung gekommen. Voß löste meine Fußfessel und zog mich am Seil die Kellertreppe hinauf. Wäre ich nicht selbst das Opfer gewesen, hätte ich sicher das Archaische dieser Szene bewundert. Die Standuhr im Salon zeigte an, daß seit meinem unfreiwilligen Abgang eine Stunde und zwanzig Minuten vergangen waren. Kleinmann war verschwunden, offensichtlich konnte er die aktive Beteiligung an einem dritten Mord nicht mit seinem Amtseid als höherer Verwaltungsbeamter vereinbaren. Alfons saß in dem Sessel, in dem er schon vorhin gesessen hatte, nur rauchte er diesmal eine Havanna. Mir bot er keine an. Die Zeit der Höflichkeit war vorbei.
    Voß entfernte den Knebel aus meinem Mund.
    »Keine Mätzchen, Wilsberg!« sagte Alfons. »Wenn Sie schreien oder zu fliehen versuchen, wird Ihnen Herr Voß eine Kugel in den Kopf jagen.«
    Voß zeigte mir seine Waffe. Ein etwas altertümliches Modell, aber ich zweifelte nicht an seiner Funktionsfähigkeit.
    »Ich müßte mal austreten«, sagte ich.
    Alfons stöhnte und winkte dann gnädig mit der Hand. Voß und Ludger bugsierten mich in die Gästetoilette im Erdgeschoß. Ich hatte gehofft, daß sie meine Hände losbinden würden, stattdessen machte sich Voß an meinem Hosenschlitz zu schaffen. Der Harndrang setzte sofort aus. Schließlich überredete ich mich mit dem Gedanken, daß ich mir sonst in die Hose machen würde.
    »Eine Frage«, wandte ich mich auf dem Rückweg an Ludger, »wie ist das, wenn man seinen eigenen Bruder umbringt?«
    »Halt den Mund!« fuhr er mich an.
    Aber Voß konnte seinen nicht halten: »Der hatte es nicht anders verdient. Seitdem er mit dieser Schlampe verheiratet war, konnte man mit ihm nicht mehr vernünftig reden. Und sein Bruder hier, der versteht mindestens genauso viel vom Geschäft. Doch Jochen Große-Hülskamp mußte ihn deckein, wo es nur ging.«
    »Sei still!« zischte Ludger.
    »Und wie war das mit Tom?« setzte ich nach. »Was hat euch dieser sechzehnjährige Junge getan?«
    »Ich kenne keinen Tom«, sagte Ludger.
    »Der in der Gartenlaube. Den ihr abgestochen habt.«
    »Das waren wir nicht«, sagte Voß. »Wir sind doch keine Mörder.«
    »Was quatscht ihr da rum?« maulte Alfons. »Wir haben es nicht nötig, irgendwelche Erklärungen abzugeben.« Er zeigte auf ein Blatt Papier, neben dem ein Kugelschreiber lag. »Schreiben Sie!«
    »Mit dem Mund?« fragte ich zurück.
    Voß schnürte mich auf, und ich rieb mir die Handgelenke. Dann schätzte ich die Entfernung zum Fenster ab. Ein Hollywood-Held wäre jetzt durch die Glasscheibe gesprungen. (In Wirklichkeit
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