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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg
Autoren: Kehrer
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besser, aber…« (ich zeigte auf den Stock, der im Sand steckte) »…ich gehe am Stock. Der Arzt sagt, daß ich mich noch ein paar Monate schonen soll. Für meine Neurodermitis ist das Inselklima hier die reinste Kur und…«
    »… du hast eine schwarze Freundin«, sagte Kiki.
    »Die Hautfarbe ist doch wohl egal. Im übrigen ist sie nicht schwarz, sondern braun. Millionen Touristinnen legen sich jedes Jahr in die Sonne, um so auszusehen wie sie. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, daß ich keinen Ärger mit Arabern haben will. Araber sind impulsive Menschen, und ich bin zu gehbehindert, um vor ihnen weglaufen zu können.«
    Kiki guckte nach oben, wo ein sanfter Wind in den Palmkronen rauschte. »Du bist der einzige Mensch, der mir helfen kann.«
    »Warum gerade ich?«
    »Weil ich dir vertraue. Du bist mein Bruder.«
    »Oh nein«, ich wurde sauer, »du hast doch gar kein Problem. Dein Mann ist in Schwierigkeiten. Und vermutlich hat er sich selbst da hineingebracht. Für Erpressungen und Morddrohungen ist die Polizei zuständig. Ich gebe dir gerne den Namen eines vertrauenswürdigen Kriminalhauptkommis­sars in Münster, der euch weiterhelfen kann.«
    Kiki schaute mich an. Ihre Mundwinkel zuckten, ihre Augen schimmerten feucht. »Er ist mein Mann, und ich liebe ihn.«
    Dazu fiel mir nichts ein.
    »Was hat sie gesagt?« fragte mich Nellie flüsternd.
    »Sie ist besorgt, daß ihrem Ehemann etwas zustoßen könnte. Sie möchte, daß ich nach Hause fliege und ihm helfe«, flüsterte ich zurück.
    »Hat er denn keine Verwandten?«
    »Doch. Eine richtig nette Familie.«
    »Sei nicht zynisch!« mischte sich Kiki ein. »Du weißt, wie Alfons ist. Jochen kann von ihm keine Unterstützung erwarten. Und das Verhältnis zu Ludger ist seit längerer Zeit gespannt.«
    Alfons war Jochens Vater und Ludger sein jüngerer Bruder.
    »Wirst du nach Hause fliegen?« fragte Nellie.
    »Nein. Ich glaube nicht.«
    »Du wirst«, zischte Nellie. »Ich sehe es.«
    Kiki zog ein Papiertaschentuch aus einer versteckten Tasche ihres Kleides und tupfte sich die Augen ab. Meine kleine, traurige Schwester.
    »Wo wohnst du?« fragte ich.
    »Noch gar nicht. Ich bin vom Flughafen direkt hierhergekommen.«
    »Und dein Gepäck?«
    »Steht noch am Flughafen.«
    »Wir wohnen im Old Delft«, sagte ich. »Ganz nett, so eine Mischung aus Kolonial- und Karibikstil.« Das Old Delft war eine von zwei Möglichkeiten, an diesem Teil der Küste abzusteigen.
    »Ich hab’s gesehen«, nickte Kiki. »Sehr hübsch.«
    »Dann wollen wir mal sehen, ob wir ein Zimmer für dich organisieren können.« Ich stand auf und nahm meinen Stock. »Ich könnte auch einen kleinen Imbiß vertragen.«
    Eingerahmt von zwei eifersüchtigen Frauen hinkte ich zur Uferstraße hinauf.

    Am Abend hockten wir an der Bar und tranken den regional üblichen Irgendwas-mit-weißem-Rum-Cocktail. Halb belustigt, halb gelangweilt betrachtete ich das Abendprogramm, das die Hotelleitung zur allgefälligen Unterhaltung ihrer Gäste nun schon zum vierten Mal wiederholte, seitdem ich im Old Delft logierte. Den Neckermännern und Neckerfrauen, die nur für zwei Wochen kamen, gefiel es. Sie klatschten in die Hände und stampften mit den Füßen, wie sie es aus den täglichen Fernseh-Game-Shows kannten.
    Die Tänzerinnen und Tänzer in den paillettenbesetzten bunten Kostümen bedankten sich mit einem karibischen Grinsen und schwenkten ihre Hüften, Oberkörper, Federn und durchsichtigen Tücher, begleitet von einer Combo, die fröhlich trommelte und rasselte. Bei der anschließenden Polka machten die rotgesichtigen und übergewichtigen deutschen Männer erhebliche Anstrengungen, um ihre Ehefrauen auszumanövrieren und an die Schultern einer Karibikschönheit zu geraten.
    Während der Lindwurm durch das Hotelfoyer tapste, zeigte ich dem Barmann mein leeres Glas und streckte drei Finger in die Luft. Gleich würde der Run auf die Bar einsetzen.
    »Lebt Nellies Familie auf der Insel?« fragte Kiki.
    »Ja. Aber nicht in einer Wellblechhütte, sondern in einem relativ komfortablem Haus. Ihr Vater ist Fischer.«
    »Und wovon lebt sie?«
    Ich zog die Augenbrauen hoch. »Wovon wohl? Von einzelreisenden männlichen Touristen.«
    »Sie ist also eine – Hure?«
    »Das sieht sie anders. Sie sucht sich die Männer aus.«
    »Und dann?«
    »Dann lebt sie eine Zeitlang mit ihnen. Was soll die Fragerei?«
    »Hast du keine Angst vor Aids?«
    »Liebe Kiki«, sagte ich mit drohendem Unterton, »da drüben, im
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