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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg
Autoren: Kehrer
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hoteleigenen Supermarkt, gibt es Kondome. Und es interessiert mich überhaupt nicht, ob dir mein Lebenswandel gefällt oder nicht.«
    »Was sagt sie?« fragte Nellie.
    »Sie sagt, daß du eine bezaubernde Frau bist.«
    Nellie funkelte Kiki an. »Das hat sie nicht gesagt.«
    »Okay, das hat sie nicht gesagt. Vergiß es!«
    »Sie hat ›Hure‹ gesagt. Ich kenne das Wort Hure. Und dann hat sie von Aids geredet.«
    »Ganz allgemein.«
    »Deine dumme Schwester meint, daß ich Aids habe.«
    »Nein, das hat sie nicht gesagt.«
    Nellie nahm ihr Cocktailglas und schleuderte den Inhalt in Richtung von Kikis Gesicht. Kiki quiekte und fiel vom Hocker.
    Nellie baute sich vor mir auf: »Fahr doch mit deiner Schwester nach Hause! Mir reicht es.« Sie machte eine Handbewegung in der Höhe ihres Halses. Dann rauschte sie davon, erstaunlich schnell auf ihren hochhackigen Pumps, die gaffenden Touristen beiseite schubsend.
    Das lebendige Treiben um uns herum war zu einem Standbild erstarrt.
    »Das gehört nicht zur Show«, verkündete ich laut. »Machen Sie ruhig weiter!«
    »Ist das jetzt meine Schuld?« meldete sich Kiki kleinlaut.
    »Wessen sonst?« knurrte ich.

II
    Ich küßte Nellie auf den Mund, und sie lächelte mich an. Wir standen in der Abflughalle des Flughafens. Am Tag nach dem Streit im Hotel hatte ich sie im Haus ihrer Eltern besucht. Zunächst gab sie sich kühl und reserviert, doch schließlich akzeptierte sie die Entschuldigung für das Verhalten meiner Schwester. Sie willigte sogar ein, die letzten Tage bis zum Abflug mit mir im Hotel zu verbringen (allerdings unter der Bedingung, daß meine Schwester in das nebenliegende Palm Beach Ressort wechselte). Ich fand das akzeptabel, Kiki weniger. Ich sagte ihr, das sei mein Preis für die brüderliche Hilfe.
    Auch jetzt, im Flughafen, bestand Nellie darauf, daß sich Kiki in gebührender Entfernung aufhielt.
    »Ich erledige die Sache in Deutschland, und dann komme ich zurück«, sagte ich. »In zwei Wochen bin ich wieder da.«
    Nellie grinste. »Der Detektiv Georg Wilsberg.« Sie sprach es Dschordsch Wilsbörg aus.
    »Detektiv im Ruhestand.« Ich klopfte mit dem Stock gegen mein kaputtes Bein. »Ich eigne mich nicht mehr für Schnüffelarbeit. Ich werde dafür sorgen, daß die Polizei die Sache übernimmt, und das war’s dann.«
    »Polizei?« Nellie machte große Augen. Wie die meisten Amerikaner konnte sie Deutschland nicht von Belgien oder Dänemark unterscheiden. Aber noch weniger konnte sie sich vorstellen, daß es irgendwo auf der Welt eine Polizei gab, die nicht korrupt und nicht sadistisch war.
    »Die Polizei in Deutschland ist gar nicht so schlecht«, sagte ich. »Ich habe sogar einen Freund, der bei der Polizei arbeitet.«
    Nellie schüttelte sich. »Ihr seid schon ein komisches Volk, ihr Holländer.«
    Ich umarmte sie. »Gib mir zwei Wochen!« Sie lachte. »Ich warte einen Monat auf dich, Georg Wilsberg, keinen Tag länger. Ist dir das klar?«

    »Welch rührender Abschied«, bemerkte Kiki, als wir nebeneinander in der Schlange standen, um einzuchecken.
    »Ich habe dir nie einen Vorwurf gemacht, daß du einen Kapitalisten mit konservativer Gesinnung, arrogantem Benehmen und lächerlicher Fönfrisur geheiratet hast. Also kannst du auch akzeptieren, daß ich eine schwarze, womöglich aidsinfizierte Freundin habe.«
    Das vor uns stehende, ältere Ehepaar versteckte sich erschreckt hinter seinem Kofferberg.
    »Nun sei doch nicht gleich sauer!« maulte Kiki.
    »Ich bin nicht sauer. Ich möchte nur etwas klarstellen.«
    Das Ehepaar lugte zu uns herüber. Ich zeigte ihnen mein Gebiß. »Wissen Sie, daß Aids in Flugzeugen, die höher als zehntausend Meter fliegen, auch durch die Luft übertragen werden kann?«
    Das Flugzeug ruckte an, und ich bekam Flugangst. Eigentlich ist es keine Flugangst, es ist nur die Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Wenn der Steigflug vorbei ist, geht es mir wieder besser.
    Ich atmete mit offenem Mund wie ein Blasebalg, mein Puls war jenseits von Gut und Böse.
    »Geht es dir nicht gut?« fragte Kiki besorgt.
    »Es geht schon«, keuchte ich. »Ist gleich vorbei.«
    »Geht es Ihnen nicht gut?« erkundigte sich die Stewardeß geschäftsmäßig.
    »Alles in Ordnung. Vielen Dank.«
    Endlich waren wir oben, und mein Körper hatte akzeptiert, daß der Flugzeugboden nun als Erdoberfläche herhalten mußte.
    Ich hatte Kiki bereitwillig den Fensterplatz überlassen, Blicke in die Tiefe gehören nicht zu meinen bevorzugten Vergnügungen.
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