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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen
Autoren: Romain Sardou
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in dieser Nacht eine oder mehrere Personen außerhalb der Gruppe als Vollstrecker agiert haben. Die Ballistik wird uns Aufschluss darüber geben, wie viele Kanonen benutzt wurden.«
    Gardner machte sich Notizen und fuhr fort: »Für die uns bekannten Sekten hat das Datum des 3. Februar keinerlei besondere okkulte Bedeutung, soweit wir wissen. Und es gibt bei jenen Gruppen in unserem Land, die unter Beobachtung stehen, keine Hinweise auf anormale Aktivitäten in letzter Zeit.«
    »Versuchen Sie, die parareligiösen Organisationen, die Ihnen bekannt sind, unauffällig zu überwachen«, sagte Sheridan zu ihm. »Was passiert ist, könnte Nachwirkungen haben.«
    »Verstanden.«
    Diese Sektenhypothese gefiel dem Colonel ziemlich gut. Bei derart vielen Opfern konnte man vernünftigerweise nicht von einem Racheakt oder zufälligen Morden ausgehen. Wozu sollte jemand sich eine solche Inszenierung antun? Und warum alle diese Leichen transportieren? Er dachte, dass verdammt kräftige Arme nötig gewesen waren, um den Haufen aufzuschichten, den er in der Grube für den Brückenpfeiler gesehen hatte. Oder hatten sich die Opfer womöglich selbst bereitwillig der Reihe nach in diese Position gelegt und auf ihre Opferung gewartet? Als Sektenanhänger? Bei der Vorstellung überlief es ihn kalt.
    Professor Tajar ergriff das Wort.
    »Die Hypothese, die ich vorbringen möchte, ist etwas neuartig. Sagen wir, ›modern‹. Ich spreche über kollektive Selbstmorde ›mit gruppendynamischer Ausprägung‹.«
    »Über was ?«
    Sheridan hatte nie von dergleichen gehört.
    »Seit einigen Jahren beobachten wir eine Veränderung in den Verhaltensweisen bestimmter Selbstmörder. Den ›assistierten‹ Selbstmord. Die Todeskandidaten lernen sich durch Vereine oder in Internetforen kennen und organisieren sich, um gemeinsam ihr Ende herbeizuführen. Die Beteiligten kennen sich nicht, sie haben nichts gemeinsam außer dem mehr oder minder wirren Wunsch, aus dem Leben zu scheiden. Diese Art Selbstmord schließt allerdings nicht aus, dass ein Oberhaupt oder ein ›Operator‹, der bei der Durchführung assistiert, anwesend ist. In England oder Japan hat man bereits Derartiges beobachtet. Das Drama an der 393 ist allerdings von einer neuen Qualität für mich. Zunächst einmal der Anzahl wegen. Kollektivselbstmorde betrafen bis jetzt nur kleine Gruppen, drei bis sechs Personen maximal. Dann wegen des Alters. Solche Inszenierungen sind das Werk junger und leicht beeinflussbarer Persönlichkeiten. Das gilt zum Beispiel für die Selbstmorde dieses Typs, die letztes Jahr in Tokio entdeckt wurden.«
    Er blickte auf ein Blatt Papier auf seinen Knien.
    »Die heute Nacht aufgefundenen Leichen decken ein Altersspektrum zwischen zwanzig und mehr als sechzig Jahren ab. Das ist beunruhigend. Wir werden vielleicht gerade Zeuge des Eintritts in eine neue Phase der Organisation kollektiver oder assistierter Selbstmorde. Die Anzahl der Toten ist hier das Entscheidende. In allen Internetforen, die wir beobachten, ist das immer das Ziel derer, die am lautesten tönen.«
    »Was?«
    »Eine möglichst große Zahl von Selbstmördern zu mobilisieren. Spektakuläre Inszenierungen auf die Beine zu stellen. Seinen eigenen Tod zu zelebrieren. Aber im Allgemeinen gehen diese frommen Wünsche nie in Erfüllung. Zumindest bis jetzt nicht …«
    Eine Sekte?
    Ein Klub von Selbstmördern?
    Sheridan wusste so gut wie nichts über diese Gebiete, aber er fand das alles ziemlich interessant. Er richtete sich in seinem Sessel auf.
    »Tun Sie Ihr Bestes, um diese zwei Fährten so schnell wie möglich zu vertiefen. Das FBI ist uns auf den Fersen. Die zusätzlich angeforderten Gerichtsmediziner sind in der Leichenhalle eingetroffen. Sobald wir etwas Neues haben, lasse ich es Sie wissen.«
    Die beiden Männer verabschiedeten sich und verließen das Büro.
    Sheridan hing einen Augenblick seinen Gedanken nach. Dann stand er auf und trat auf eine Wand seines Büros zu. Dort hing eine riesige Karte von New Hampshire, auf der die Polizeieinheiten und Gerichtsbezirke der Staatspolizei sowie die verschiedenen städtischen Polizeidienststellen eingetragen waren. Er markierte den Fundort der Leichen mitten im Wald, zwischen einem städtischen Areal und dem Beginn der Ländereien der Universität von Durrisdeer, mit einer roten Stecknadel.
    »Warum genau dort?«
    Sollte die Baustelle dazu dienen, die Leichen unter Sand oder Beton verschwinden zu lassen? War die Operation durch die Ankunft von Milton
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