Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen
Autoren: Romain Sardou
Vom Netzwerk:
spärlich durch das Dach der Bäume. Ihm wurde bewusst, dass er zum ersten Mal mitten in der Natur leben würde. Der Stadtbewohner, der er war, fand sich mitten im Nirgendwo wieder. Er ahnte, dass er eine Zeit lang brauchen würde, um sich an diese Atmosphäre, an die Geräusche, an das Knarzen von Holz und die rätselhaften Erscheinungen von Tieren zu gewöhnen. Auch an die Stille.
    Er öffnete den Reißverschluss einer seiner großen Taschen und holte eine Schreibmaschine daraus hervor. Eine Remington 3B Büromodell 1935. Er stellte sie vorsichtig auf den Tisch, hob die Abdeckung hoch und klappte die Papierwalze herab, indem er die Verriegelung löste. Die Klingel des Seitenrandfeststeller ertönte und ihr heller Klang hallte in dem leeren Haus.
    »Doyle hat vierundvierzig Jahre in diesen Mauern gelebt?«
    Franklin war sich nicht sicher, ob ihm diese Vorstellung gefiel.
    Er stieg ins Bett und legte sich auf den Rücken, er war überzeugt, dass er auf der Stelle einschlafen würde. Doch wie er schon befürchtet hatte, machte der Wald einen unbeschreiblichen Lärm. Frank hörte, wie ein Nachtvogel einen Schrei ausstieß. Zum Gruseln. Er hatte keine Ahnung, zu welcher Gattung dieses Tier wohl gehören mochte. Ein Raubvogel? Von der Natur kannte Frank nur die Bücher von Buffon oder Thoreau. Nichts wirklich Praktisches. Er dachte sich, dass dieser Schrei ebenso gut das ferne Kreischen einer Frau oder eines Kindes gewesen sein konnte, er hätte ihn auch nicht besser identifizieren können …
    Über diesem trüben Gedanken schlief er ein.

3
    Nächster Tag, 7 Uhr 35
     
    Stu Sheridan saß an seinem Schreibtisch und presste den Telefonhörer ans Ohr. Er hörte eine ernste Stimme, die schon minutenlang Selbstgespräche führte.
    Der Sitz der Staatspolizei von New Hampshire befand sich am Hazen Drive in Concord Height, östlich des Merrimack River. Alle Dienststellen der Abteilung für Sicherheit waren vor kurzem im James H. Hayes Safety Building zusammengezogen worden. Der Komplex bestand aus großen, quadratischen Gebäuden mit kalten, funktionellen Fassaden, roten Ziegeln und großen, spiegelnden Fenstern.
    »Am Apparat.«
    Sheridan runzelte die Stirn. Er schob mit dem Handrücken zwei Aktenmappen beiseite, um sich einen großformatigen Notizblock und einen Stift zu angeln. Er notierte:
     
    Melanchthon, O’Rourke und Colby.
9 h 55 - Sheffield Military Airport.
Totale Nachrichtensperre.
    »Was den letzten Punkt angeht, die FBI-Außenstelle hat mich heute Nacht benachrichtigt. Ja, die Anweisung ist ausgegeben.«
    Ein leiser Hauch von Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit.
    »Die erste Versammlung der Abteilungen findet heute Morgen um neun Uhr statt. ( Pause .) Das ist machbar. Wir werden warten. ( Pause .) Genau, vierundzwanzig Tote, neun Frauen und fünfzehn Männer.«
    Sheridan ließ eine letzte Tirade seines Gesprächspartners über sich ergehen.
    »Wenn Sie meinen. Ich werde Sie benachrichtigen, sobald wir etwas Neues in der Hand haben.«
    Er drückte mit dem Daumen auf die Gabel, um das Gespräch zu beenden, und wählte dann eine dreistellige Nebenstelle.
    »Lieutenant Garcia, ja bitte?«
    »Ich habe soeben mit dem Kabinett des Gouverneurs gesprochen. Drei Agenten des FBI landen um fünf vor zehn auf dem Militärflughafen. Sie haben bereits Sondervollmachten. Wir werden gebeten zu warten, bis sie bei uns eingetroffen sind, bevor wir intern irgendwelche Informationen weitergeben.«
    Garcia stieß einen Pfiff aus.
    »Was für eine Gunst des Schicksals, dass sie uns mit ihrer Anwesenheit beglücken!«
    »Ich weiß. Hier ihre Namen: Melanchthon, O’Rourke und Colby. Ich kenne keinen davon. Dieses Mal schicken sie uns sogar eine Frau. Special Agent Patricia Melanchthon. Sie leitet das Team.«
    »Wenn man schon mal einen Glückstag hat …«
    »Das Kabinett hat außerdem die Anordnung einer allgemeinen Nachrichtensperre bestätigt, die das FBI bereits über die Geschichte verhängt hat.«
    »Ist ja zum Fürchten.«
    Sie hängten ein.
    Sheridans Büro lag an einer Ecke des James Hayes Building mit Blick auf den Wald. Der nächtliche Sturm hatte sich gelegt, doch noch immer hingen die Wolken bedrohlich tief. Die Bäume brachen unter der Last des Schnees fast zusammen. Die gleichen Bäume wie die, die in Farthview Woods die Baustelle der 393 umgaben. Wenn man das Fenster öffnete, konnte man das dunkle Rauschen des Merrimack hören, der unten vorbeifloss. Der Fluss strömte mitten durch die Stadt Concord. Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher