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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen
Autoren: Romain Sardou
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ausgestattet, vertikal und flach, im urdeutschen Stil des letzten Jahrhunderts. Ein Navigationsgerät hätte darin ebenso absurd gewirkt wie Blinklichter an Don Quichottes Stute. Die Helligkeit der Anzeigen- und Schalthebelbeleuchtung variierte in Einklang mit dem Gaspedal. Das Gleiche galt für die Scheinwerfer, sie flackerten beinahe wie Kerzen. Das Auto würde bald den Geist aufgeben. Es war höchste Zeit.
     
    Ein großer Pick-up tauchte auf der anderen Seite der Einfassung auf. Franklin wurde zuerst geblendet durch die Batterie zusätzlicher Scheinwerfer, die auf dem Dach montiert waren, und sah dann, wie eine Hand mit einer Fernbedienung aus dem Fahrerfenster gestreckt wurde. Der Innenraum des Autos blieb im Dunkeln. Es war unmöglich, den Insassen zu erkennen. Die Lampen über den Torpfosten gingen an, und die Eisenflügel öffneten sich langsam. Der große Dodge manövrierte, um zu wenden. Als das Tor offen stand, tauchte die Hand wieder auf und bedeutete ihm zu folgen.
    Frank legte den zweiten Gang ein und startete sanft. Der orangefarbene Lichtfleck der Laterne verschwand in seinem Rückspiegel; der Weg tauchte wieder mitten in den Wald ein.
    Franklin wusste nur wenig über seine neue Wirkstätte. Durrisdeer galt als finanziell gut ausgestattete Einrichtung, die sich eine reglementierte Studentenzahl leisten konnte. Nicht mehr als dreihundert. Durrisdeer akzeptierte keinerlei Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und bot kaum Sommerkongresse an. Nur selten wurden Professoren zu Vorträgen eingeladen. Es war schwierig, Informationen über die internen Abläufe von Durrisdeer zu erhalten, sofern man nicht ehemalige Schüler oder Menschen, die dort tätig waren, kennenlernte. Das hatte Franklin nicht gestört, denn er hatte in diesem Angebot vor allem den Vorteil einer Universitätsstelle für mindestens fünf Jahre und infolgedessen eines dicken Gehalts gesehen. Was bedeuteten da schon die örtlichen Gebräuche. Die gute Ausstattung von Durrisdeer wäre eine Abwechslung nach Chicago, wo nur beschränkte Mittel zur Verfügung standen (vor allem für eine Aushilfe) und wo nicht weniger als elftausend Studenten eingeschrieben waren. Eine Stadt in der Stadt; nichts hatte dort noch menschliche Dimensionen. Hier dagegen würde Franklin seine eigene Klasse leiten, einen Studiengang zum Master of Fine Arts und Kurse in Kreativem Schreiben anbieten. Zukünftige Romanautoren schulen.
    An der ersten Kreuzung las Franklin zwei Hinweispfeile: »Campus« nach links und »Dorf der Professoren« nach rechts. Der Dodge verlangsamte nicht und schlug die zweite Richtung ein.
    Und es ward wieder Licht.
    Die Straße war schmäler geworden, die Bäume traten in den Hintergrund und Laternen markierten den Weg in regelmäßigen Abständen wie in den Alleen eines englischen Parks. Es gab sogar reizende weiße Begrenzungen und leere Blumenkästen. Alles schien auf einmal mit einem eigenartigen Zauber behaftet.
    Die ersten Häuser wurden sichtbar. Die Bezeichnung »Dorf« traf es auf den Punkt: Die Pavillons waren in einem großzügigen Rundbogen angelegt, mit rechtwinkligen Gärtchen, gestutzten Hecken und Kinderspielplätzen, und noch immer hingen trotz des fortgeschrittenen Jahres viele Weihnachtsdekorationen an den Giebeldreiecken. Franklin zählte mehr als zwanzig Behausungen von beachtlicher Größe. Manche hatten gestrichene Ziegelwände, andere breite, helle Holzbretter, wie man sie überall in den großen Weiten des Nordens findet. Die Lampen an den Vortreppen ließen die kräftigen Farben der Fassaden erahnen: blaue, rote oder gelbe Farbtöne. Noch eine Tradition der Gegend. Franklin konnte sich gut Volvos und Geländewagen modernsten Typs hinter den elektrischen Garagentoren vorstellen.
    »Wenn die Professoren von Durrisdeer alle hier leben, dann habe ich das Vermögen der Universität unterschätzt … Oder man hat mir nicht alles gesagt.«
    In dieser späten Stunde glich jedes Fenster einem schwarzen Viereck. Die Straßen waren menschenleer. Frank folgte dem Pick-up durch das Dorf, bis sie es verließen und sich wieder dem Wald näherten. Der Dodge parkte vor einem abseits gelegenen Haus, am Ende einer Sackgasse, das fast vollständig von Bäumen umgeben war. Nur die Vortreppenbeleuchtung war eingeschaltet. Frank brachte seinen Volkswagen hinter dem großen Dodge zum Stehen. Er entzifferte das Hausnummernschild, über dem die Devise von New Hampshire stand: » Live free or die .«
    »Frei leben oder sterben« - tolles
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