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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer
Autoren: Mary Janice Davidson
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ich sie großzügigerweise wissen, dass es mir nichts ausmachte, wenn sie einfach so bei mir erschien. Sehen Sie? Ich gab mir alle Mühe!
    Sie machte auf dem Ugg-Absatz kehrt und ging zu ihrem Wagen, einem gebrauchten, doch gut gepflegten Ford Fusion, dessen Farbe an Gingerale erinnerte. Der Antichrist war umweltbewusst und legte Wert auf einen geringen Benzinverbrauch. Moment mal, war Laura überhaupt noch der Antichrist, jetzt, da der Teufel tot war? Oder war sie jetzt der Teufel?
    »Was ist denn nun mit Thanksgiving?«, rief ich ihr hinterher. Mein Ass im Ärmel! Eher verzichtete Laura auf Wohltätigkeitsarbeit als auf Kartoffelbrei mit Bratensoße, besonders an einem Familienfeiertag.
    »Was soll denn mit Thanksgiving sein? Das war vor mehreren Tagen.«
    »Na ja, wir haben die Feier verschoben.« Sie drehte sich – mit reichlich genervter Miene übrigens – um, und ich fuhr fort: »Es ist doch kein richtiges Thanksgiving ohne Blutsverwandte. Und ohne Jessica. Und ohne ihren Freund, den wir seit ungefähr einem Jahr kennen. Und ohne Marc, der tot ist.« Jawoll! Meine Loyalität zu lebenden und toten Freunden würde ihr zeigen, wie enorm wichtig sie mir war, wie viel sie uns allen bedeutete. Wir würden diese grässliche Sache klären, und danach würde unser schwesterliches Band nur noch enger werden. Es war nur eine Frage der …
    »Du scheißverlogenes Biest.«
    »Whoa!« Lauras Vorstellung von Kraftausdrücken bestand gewöhnlich darin, ihre Sätze mit »verflixt«, »verdammt«, »verflucht« und »Mist« zu würzen. »Das ist jetzt aber ganz schön kalt von dir. So kalt wie meine armen eisigen Füße. Aber du musst dir keine Gedanken um meine blau gefrorenen, von der Kälte tauben Zehen machen, denn es ist viel wichtiger, dass wir diese Sache klären.«
    »Du hast die Thanksgivingfeier verschoben, weil du Thanksgiving hasst …«, erwiderte sie bissig, und verflixt – damit hatte sie nicht ganz unrecht, »… und nicht etwa, weil du dich mit mir versöhnen und wieder gut Freund mit mir sein wolltest. Wir sind ohnehin nie Freunde gewesen.«
    »Meine Abneigung gegen Thanksgiving hat nur ein klitzekleines bisschen damit zu tun«, wandte ich ein.
    »Bleib weg!« Sie trat zurück (was mich erleichterte, denn sie war mir ziemlich auf die Pelle gerückt, und ich hatte es mir zum Prinzip gemacht, Auf-die-Pelle-Rückern niemals nachzugeben). Abrupt drehte sie sich um, und ich wusste, dass es sinnlos war, sie noch einmal zurückzurufen. Ihr blondes Haar wirbelte und wogte um ihre Schultern, als sie zu ihrem Auto lief. Die Ballons hüpften hinter ihr her.
    Moment mal. Blond? Ha.
    Es gehörte zu Lauras seltsameren Wesenszügen, dass ihre äußere Erscheinung ihre inneren Gefühle widerspiegelte (beachten Sie, wer hier von
seltsamer
spricht, dann bekommen Sie eine ungefähre Ahnung, wie merkwürdig es tatsächlich war). Normalerweise war sie eine Seele von Mensch, die sich über alle Maßen anstrengte, Gutes zu tun, obwohl all ihre Instinkte darauf ausgerichtet waren, böse zu sein. Wenn sie jedoch sauer wurde, färbte sich ihr Haar in ein flammendes Blutrot, und ihre Augen wurden giftgrün.
    An diesem Tag jedoch nicht. Ich wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Ihre Haar- und Augenfarbe waren wie ein Lackmustest, an dem man ihre momentane Stimmung ablesen konnte. Blaue Augen und blondes Haar bedeuteten, der Antichrist war nicht wütend, egal, was sie sagte oder wie sie es sagte. Sicherlich verspürte sie starke Emotionen, aber keine Wut. Nein, sie hatte Angst!
    Vor mir? Vor sich selbst? Vor uns beiden? Vermutlich Letzteres, ja. Das war nur logisch. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als der Tatsache ins Auge zu sehen, dass die Beziehung zwischen dem (neuen) Teufel und mir erst schlechter werden würde, bevor sie wieder besser werden konnte.

3
    »Ich wette, es lag am Minnesängergruß«, mutmaßte der Zombie hinter mir. »Da hätte ich an ihrer Stelle auch einen Schreianfall bekommen.«
    Ich drehte mich um, erblickte meinen Freund Marc und wusste erst nicht, was ich sagen sollte. Immer wenn ich ihn sah, überschwemmte mich neuerdings ein schwindelerregendes Wechselbad der Gefühle: Erleichterung, Überraschung, Freude, Furcht, Mitleid und Verzweiflung mischten sich mit dem überwältigenden Glücksgefühl, dass er, nach all dem, was er durchgemacht, gesehen und gehört hatte, immer noch mein Freund sein wollte.
    Vielleicht fürchtete er sich aber auch nur zu sehr vor dem, was ihm zustoßen
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