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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer
Autoren: Mary Janice Davidson
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dass wir über ihre Truthahn-Mahlzeit keine Scherze gerissen hatten, machte Jessica wieder diese Dehnübung, bei der sie die Hand in den Rücken stützte, und fragte, vermutlich rhetorisch: »Was kann dir denn der Antichrist bieten, wo sie doch nichts hat?«
    »Eine Familie«, antwortete ich sofort. Darüber hatte ich oft nachgedacht. Laura und ich hatten vieles gemeinsam. Denselben verstorbenen Vater, einen grauenhaft bleichen Teint, der im Winter zu Trockenheit neigte, und ein hitziges Temperament. Beide sahen wir mit korallenfarbenem Lippenstift alles andere als klasse aus, hatten eine miserable Menschenkenntnis, besaßen Kräfte, die wir fürchteten und nicht verstanden, eine Neigung zu Sonnenbränden an bewölkten Tagen und eine zerrüttete Familie. »Wir zeigen ihr, dass sie nicht allein ist, nur weil ihre Mom – die sie ohnehin erst vor einigen Jahren kennengelernt hat – tot ist. Sie hat mich! Uns, meine ich.«
    Nun tauschten Marc und Jessica vielsagende Blicke.
    »Was denn? Das stimmt doch. Wir können trotzdem füreinander da sein, auch wenn ich ihre Mom getötet habe. Eine ihrer Mütter«, berichtigte ich mich. Der (verstorbene) Teufel war Lauras Mom gewesen (die unheimlicherweise Lena Olin ähnlich gesehen hatte). Meine Stiefmutter Ant war jedoch diejenige, die geschwängert worden war (von meinem Dad) und das Baby austrug. Also, ihr Körper trug das Baby aus, denn Lena Olin hatte während der Schwangerschaft und Geburt von Ant Besitz ergriffen. Ich weiß. Das klingt kompliziert mit starker Tendenz zu völlig verrückt. »Ihre beiden Mütter sind tot, doch nur eine ist durch meine Hand gestorben. Das ist doch schon mal was. Oder nicht?«
    (…)
    Ich seufzte. »Ich wusste, dass ihr das sagen würdet.«
    »Wir haben doch gar nichts …«, fing Marc an, doch ich schnitt ihm hastig das Wort ab.
    »Wie ich schon sagte: Was geschehen ist, ist zwar schlimm, aber doch noch lange kein Grund, dass wir nicht wieder – oder zum ersten Mal – eine Familie werden können.«
    »Betsy, ich liebe dich, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass es genau das bedeutet.«
    Ich war zu höflich, um mit Jess zu streiten. Außerdem machte ich mir Sorgen, dass sie womöglich recht haben könnte. Und da sie klüger war als ich, hatte ich null Chance, diese Diskussion zu gewinnen, falls sie nicht gerade müde oder hungrig wurde, ehe sie mein unausgegorenes Argument in der Luft zerreißen konnte. Also ging ich nicht auf die Bemerkung ein und dachte mir, wie nett es doch war, dass sich Jess und Marc bei einer Sache endlich einmal einig waren, und sei es nur die Überzeugung, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.
    Noch vor Kurzem (etwa vor zwei Wochen) hatte Jessica Marc mit allem, was sie tat und sagte, signalisiert: »Komm bloß nicht in meine Nähe, du üble Kreatur der beklagenswerten Untoten!« Ich konnte es ihr nicht verübeln, sosehr ich mich auch darüber freute, Marc wiederzuhaben. Das Vorurteil gegenüber Zombies saß tief, und es gab keine Selbsthilfegruppen für die geschädigten Lebenden. Marc hatte Tage gebraucht, um Jess davon zu überzeugen, dass er ihr nicht auflauern würde, um bei der nächstbesten Gelegenheit das Gehirn ihres Babys zu verschlingen. Sie bekam im Gegenzug jedoch keine Chance, ihm klarzumachen, es sei »nichts Persönliches, aber du wirst ganz bestimmt nicht mein Geburtshelfer werden. Ich bin zwar froh, dass du zurück bist, doch bleib mir verdammt noch mal bloß vom Leib, wenn mir die Fruchtblase platzt«. Denn vorher hatte Marc bereits verkündet, dass er sich zwar an seine Fähigkeiten als Arzt erinnerte, seine neue Hand-Augen-Koordination jedoch noch zu wünschen übrig lasse, da sie noch unerprobt sei.
    »Deshalb habe ich das Operieren an Betsys toter Katze geübt!«, hatte er strahlend erklärt und gleich darauf hinzugefügt: »Oh, Scheiße! Sorry! Das war widerlich, richtig?«
    Äh – ja.
    Obwohl er über eklige Dinge redete und sie manchmal auch tat, war Marc überhaupt nicht widerlich. Wie ich schon sagte, er torkelte nicht, und er stank auch nicht. Er war ein wenig ruhiger, grüblerischer geworden. Manchmal, wenn er vor einer komplizierten Aufgabe nachdenklich in die Luft starrte, konnte man fast spüren, wie er seine zombiefizierten Neuronen in Bewegung zu bringen versuchte. Und wenn sie erst in Schwung geraten waren, ging er mit beruhigender Gelassenheit und Sorgfalt an die Sache, egal, ob es sich dabei um das Lösen eines Kreuzworträtsels handelte oder das Erstellen einer
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