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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens
Autoren: Michelle Sagara
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ihn –”
    “Entweder er oder die Kinder”, antwortete Severn.
    “Wo sind sie?” Es war die einzige Frage, die ihr einfiel.
    Er deutete über seine Schultern und drehte sich dann, auf den unebenen Boden bedacht, vorsichtig zu ihnen um. Sie hatten sich an die Ostmauer des Innenhofs gekauert, ihre Körper waren ineinander verschlungen, ihre Hände und Arme umeinandergelegt, ihre Köpfe – die verschiedenen Haarfarben verschwammen im düsteren Abendlicht – waren geneigt. Aber sie hatten keine Angst, und einer der Jungen sah auf, an ihr vorbei, und jemanden an. Severn, glaubte sie.
    Die Barrani waren nicht alle tot.
    Aber das würden sie bald sein. Vom Himmel begann ein sanftes Feuer zu regnen, und es war rotes Feuer.
    Die Falken landeten einzeln und in Paaren auf dem offenen Innenhof. Wo sie nicht sicher stehen konnten, schwebten sie und suchten, die Lanzen bereit, nach den Toten oder denen, die bald noch toter sein würden.
    “Du … du hast sie gerettet”, flüsterte sie.
    Er sagte nichts.
    Die Wirklichkeit biss sie schmerzhaft. “Du hast sie
vor mir
gerettet.” Die Schatten waren besser als die Wirklichkeit, sie taten weniger weh. Ihr jedenfalls. Die Edelsteine auf ihrer Armschiene glühten. Sie hatte sie noch nie so hell leuchten sehen.
    “Du wolltest ihnen kein Leid zufügen”, sagte er zu ihr. Als wäre das ein Trost oder so gemeint.
    “Ich habe nicht einmal an sie gedacht”, flüsterte sie und vergrub ihr Gesicht in seiner Brust, in Goldfäden, die sich auflösten: Dem Symbol der Falken.
    “Du hast sie gefunden”, fuhr er fort, auch wenn er ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte. “Wir hätten niemals rechtzeitig kommen können, wenn du nicht gewesen wärest.”
    “Ich hätte ihnen ihre Arbeit abgenommen.”
    Er sagte nichts, aber seine Arme schlossen sich fester um sie. Sie spürte, dass er ihr damit Schutz anbot. Aber wie verdammt noch mal sollte man jemanden vor sich selbst beschützen?
    “Severn –”
    “Nicht jetzt, Kaylin. Nicht jetzt.”
    Sie hörte das Geräusch von Flügeln, das Geräusch von Waffen auf Fleisch, das Kriegsgebrüll der Aerianer. Vor sieben Jahren hätte sie sich ihnen angeschlossen.
    Und vor fünf Minuten wäre sie das Angriffsziel gewesen. Sie wusste es und fragte sich, wie viele von ihnen es ebenfalls wussten. Vielleicht keiner.
    Sie wusste, Severn würde es ihnen niemals verraten.
    “Handred.” Glatte, kalte Stimme. Es dauerte eine Minute, bis sie Tiamaris erkannte. Dann drehte sie sich um, hielt sich aber weiter an Severn fest.
    Severns Nicken war freudlos.
    Tiamaris schritt über den aufgerissenen Boden, als wäre damit alles in Ordnung. Seine Schritte waren schwer genug, um einige bereits lockere Pflastersteine zu lösen. Er blieb eineinhalb Meter vor Kaylin stehen und sah ihr in die Augen. Er verlangte stumm eine Antwort, von der sie sich nicht länger sicher war, dass sie sie geben konnte.
    Aber nach einem Augenblick entspannte er seine Schultern, und die Klinge, die er trug, senkte sich ein Stück. “Du hast es gesehen”, sagte er.
    “Den Drachen”, flüsterte sie.
    “Makuron, den Schwarzen”, antwortete Tiamaris. “Den einzig lebenden Ausgestoßenen.”
    Der Grund, wurde Kaylin klar, warum es keine ausgestoßenen Drachen gab.
    “Ja”, sagte eine zweite Stimme. Kaylin wendete sich nur ein kurzes Stück um. Sie wollte ihren Platz nicht aufgeben und sah Lord Nightshade. Seine Rüstung war aufgerissen und sein Schwert scharlachrot.
    “Ihr habt es gewusst.”
    “Nein, Lord Tiamaris. Aber ich habe es vermutet. Von denen, die gekommen sind, die alten Ruinen zu studieren, war nur einer nie in Gefahr, der Macht der alten Siegel zu erliegen.” Der Koloniallord sah dem Drachen in die Augen und hob sein Schwert.
    Die goldenen Augen des Drachen wurden rund und veränderten sich zu einem tiefen Orange, das fast schon rot war. Die Länge des Schwerts des Koloniallords wurde in ihrem ungeschützten Starren widergespiegelt.
    “Ja”, sagte Nightshade, auch wenn sein Blick auf Kaylin fiel und dort blieb. “Einer von den dreien.
Meliannos
war der Zweite.”
    Kaylin sah verwirrt aus.
    Und Tiamaris lächelte grimmig. “Die Barrani haben drei Wachen geschaffen, zu einer Zeit, als Krieg noch … häufiger war. Sie hatten die Kraft, Drachenfeuer zu widerstehen”, fügte er leise hinzu, “und die Stärke, die Rüstung des Drachen zu durchdringen. Es ist … viele Jahre her, seit wir eine von ihnen das letzte Mal gesehen haben. Der Kaiser sieht sie nicht
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