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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms
Autoren: Michelle Sagara
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regierte, hatte sie unangenehm daran erinnert, dass es so etwas wie Widerhall gab. Der Falkenlord selbst erinnerte sie daran, dass in seiner Gegenwart auf korrekte Sprache zu achten war.
    Der größte Teil davon bestand aus “Sei still”. Kaylin glaubte nicht an leise gesprochene Drohungen, aber wenn irgendwer so etwas gegen sie benutzen konnte, war es Lord Grammayre, der Aerianer, der den Titel “Lord der Falken” trug.
    Sie überquerte die Schwelle.
    Der Falkenlord wartete stumm, die blassen weißen Schwingen auf sie gerichtet. Als er sich umdrehte, entdeckte sie ein Stück Papier in seiner Hand. Es schien den Großteil seiner Aufmerksamkeit zu beanspruchen.
    Nach dem, was wahrscheinlich darauf stand, dürfte es nicht lange dauern.
    Sie zollte ihm die Ehrerbietung, die der Unterschied ihrer Ränge verlangte: Sie kniete sich nieder. Dies geschah nur zum Teil, weil sie ihm auf jede Art, die ihr einfiel, untergeordnet war. Der andere Teil von ihr – der, der ein Mitglied der Falken bleiben wollte – war über ein wenig Kriecherei nicht erhaben, besonders, wenn es keine Zeugen gab. Es war nicht das Schlimmste, was sie in seiner Gegenwart getan hatte, nicht einmal annähernd.
    Seine Augen, schmal und grau, fixierten ihren Schopf, als könnte er sie so skalpieren und ihren Skalp als Lektion für die
anderen
Falken aufbewahren. Marcus, mit aufgestelltem Fell und gefletschten Zähnen, war nichts gegen den Falkenlord, wenn es darum ging, jemanden einzuschüchtern. Kaylin hatte sie während ihrer Zeit bei den Falken beide verärgert und konnte auf mehr als ausreichende Erfahrungen zurückgreifen, um diese These zu beweisen.
    Er reichte ihr das Papier. Sie musste aufstehen, um es zu nehmen. “Das”, sagte er, “war das dritte Mitglied des kaiserlichen Ordens der Magier, das du in weniger als zehn Tagen beleidigt hast.”
    Sie erkannte die leontinische Klaue, sie war breit, dunkel und riss Löcher ins Papier.
    “Der hat angefangen” konnte sie nicht sagen, also schluckte sie die Wörter mit zusammengebissenen Zähnen herunter. “Ich war noch nie ein guter Schüler im Klassenzimmer”, sagte sie schließlich.
    “Das wissen wir nur zu gut”, entgegnete er, so trocken, dass seine Worte eine Brandgefahr darstellten. “Wir haben versucht, den Magiern, die sich dazu herabgelassen haben, dich zu unterrichten, deine Akten vorzuenthalten. Unglücklicherweise scheinen sie es alle für nötig zu halten, sie sich dennoch anzusehen.”
    Sie sagte nichts, das schien ihr am sichersten. Das war es normalerweise auch, aber sie erinnerte sich meist erst daran, wenn ihr Mund sich schon bewegte. “Ich verstehe nicht, warum Ihr das überhaupt für nötig haltet”, sagte sie schließlich, als die Stille ihr zu viel wurde.
    Er hob eine blasse Augenbraue. Seine Augen, ganz und gar aerianisch, schimmerten bläulich, was nie ein gutes Zeichen war.
    “Die Falken beschäftigen keine Magier”, sagte sie hölzern.
    “Du bist keine Magierin.”
    “Aber warum …”
    Er hob eine Hand. “Ich habe Geduld immer für eine Tugend gehalten, wenn ich mit den Falken zu tun habe”, sagte er zu ihr, “aber wie immer strapazierst du die wertvollsten Ressourcen.”
    “Deshalb will ich es kurz machen. Du bist ein Falke, aber du bist auch – wie du genau weißt – gesegnet oder verflucht mit einer magischen Gabe. Du kannst sie nicht gut genug kontrollieren – du verstehst nicht, was sie ist oder was sie tut. Laut Expertenmeinung kann deine Macht so gelenkt werden, wie auch die Magier ihre Macht lenken.”
    Welche Experten?
    “Denk über die Frage nicht einmal nach, Kaylin.” Er kannte sie viel zu gut.
    “Wir haben
Feiertage”
, fuhr sie ihn an. “Wir stecken bis zum Hals in Arbeit – wenn wir Glück haben. Gerade eben ist die Liste der sogenannten Diplomaten und wichtigen Besucher …”, es gelang ihr, zwischen jede Silbe der letzten zwei Worte ein sarkastisches Grinsen zu setzen, “… eingetroffen, und wir haben zu wenig Leute, wie immer. Ich habe für dieses Zeug einfach keine
Zeit
.”
    “Ich muss dir recht geben, der Zeitpunkt ist wirklich nicht optimal”, sagte der Falkenlord in einem Tonfall, der das genaue Gegenteil verhieß. “Aber da wir uns den Zeitpunkt nicht aussuchen konnten, bleibt uns kaum eine andere Wahl.”
    “Ich verstehe, was du vorhast, Kaylin”, fuhr er leise fort, die Stimme so weich wie Samt, “und ich muss nun darauf bestehen, dass du damit aufhörst. Dieses Verhalten ist deiner unwürdig. Du kannst jeden
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