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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms
Autoren: Michelle Sagara
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größte Verfechter der kaiserlichen Gesetze?”
    Aber sie ließ sich davon nicht provozieren. Das war schwer, sie waren immer noch Barrani. Ein Barrani, der nicht arrogant war, hatte aufgehört, zu atmen. Und auf eine seltsame Art war es auch ein Trost, immerhin waren sie ihretwegen wütend.
    Natürlich war in dieser Wut mehr Besitzerstolz, als ihr idealerweise lieb gewesen wäre, aber man konnte es sich nicht immer aussuchen.
    “Wo ist Teela?”, fragte sie Tain. Die zwei waren oft unzertrennlich.
    Tains Schweigen war fast so grimmig wie das des Falkenlords.
    “Also keine Antwort”, vermutete Kaylin vorsichtig, “oder eine Antwort, die mir nicht gefällt.”
    “Warum solltest du unzufrieden sein?”, fragte er.
    “Du bist es.”
    “Es handelt sich um eine Angelegenheit der Barrani.” Kalt und herrisch.
    “Soll heißen, keine Antwort.”
    “Nein”, sagte er. Das Wort war gut bemessen und lang gezogen, besonders für eine einzelne Silbe, und die auch noch in Elantranisch. Elantranisch war die Amtssprache der Falken, weil jeder sie sprach. Unglücklicherweise war der Irrgarten aus Dokumenten, den die Gesetze mit sich brachten, auf Barrani geschrieben. Er hätte seine Muttersprache benutzen können, und sie hätte ihm mit der Gelassenheit, die sich durch lange Übung einstellte, folgen können. Barrani war eines der wenigen Dinge, die sie gelernt hatte, als man sie in ein Klassenzimmer gesperrt und an einen Schreibtisch gekettet hatte, metaphorisch gesprochen.
    “Hast du dir den Dienstplan angesehen?”, wechselte er das Thema.
    “In letzter Zeit nicht. Ist ja nicht so, als wäre er in der letzten Woche nicht sechsmal pro Tag geändert worden. Warum?”
    Er deutete auf das Brett, das ein genervter Bürokrat an die Wand genagelt hatte. Dort, ebenfalls angenagelt, befand sich ein langes Stück Papier mit mehreren Löchern und einigen Rissen – die wohl Marcus’ Werk waren.
    Der Dienstplan war nur zu einer einzigen Zeit so kompliziert, und zwar an den Feiertagen. Sie ging auf das Brett zu und sah es sich gründlich an.
    “Ich bin nicht drauf!”
    “Du Glückliche. Willst du mit sogenannten Kaufleuten verhandeln, die nicht richtig buchstabieren können und deren Fähigkeit zu planen sie nicht aus einem nassen Sack befreien könnte?”
    “Besser als die Alternative.”
    “Die da wäre?”
    “Mit Magiern reden – oder ihnen zuhören –, die sich nicht einmal aus einem Mord herauswinden könnten.” Sie runzelte die Stirn. “Was ist das?”, fragte sie ihn leise.
    “Gutes Kind.”
    Jedem anderen hätte sie dafür eine verpasst. Barrani allerdings verlangten eine sanftmütigere Zurschaustellung von Ärger.
    “Dienst bei Hofe?” Sie runzelte die Stirn. Sah sich die Namen an. Da waren Aerianer und Barrani, aber fast keine Menschen.
    Severn war einer der wenigen.
    “Was zum Henker soll Dienst bei Hofe heißen?”
    “Hast du dem Büroklatsch nicht zugehört?”
    “Ich hatte zu viel damit zu tun, von kaiserlichen Magiern beleidigt zu werden.”
    “Diese Feiertage”, sagte er ruhig, “hat der oberste Lord seinen Hof zusammengerufen. Es ist schon einige Jahre her, seit er das zum letzten Mal getan hat. Ich glaube, damals warst du noch nicht einmal am Leben.”
    Sie war im Unterricht nie gut gewesen. Und außerhalb nie schlecht. “Teela ist an den Hof gegangen”, sagte sie tonlos.
    “Sie wurde gerufen, ja.”
    “Aber sie ist …”
    “Sie wurde nicht als Falke gerufen”, fuhr er leise fort. “Sie wird ihren Platz zwischen ihr Ranggleichen der Hochkaste einnehmen.”
    Kaylin starrte ihn fast mit offenem Mund an. “Teela? Am Hof der Hochkaste?”
    Tains Gesichtsaudruck machte deutlich, dass nichts Lustiges daran zu finden war, auch wenn Kaylin gar nicht lachte. Er nickte. Das Nicken war auch für einen Barrani steif; sie waren quasi der Inbegriff der Eleganz.
    “Hat sie Ärger?”
    “Das könnte wohl sein.”
    “Warum?”
    “Sie hat es versäumt”, sagte er leise, “die wahre Natur deines … Zeichens … an den obersten Lord weiterzutragen.”
    “Aber er …” Sie hielt inne. “Evarrim.”
    “Lord Evarrim. Du hast seine Aufmerksamkeit erregt”, erklärte er mit sanfter Stimme. “Was, haben wir dir gesagt, passiert, wenn du die Aufmerksamkeit eines Lords auf dich ziehst?”
    “Das ist tödlich.”
    “Ja. Aber nicht immer für dich.” Für jemanden wie Tain fiel das Missfallen in seiner Stimme recht milde aus. “Man wird von ihr verlangen, dieses Unterlassen zu rechtfertigen”,
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