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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet
Autoren: Jakob Arjouni
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Gesichtsmuskeln strafften und er mit gesenktem Kopf und langsamen, bedrohlichen Schritten auf mich zukam.
    »Möchtest du sterben?« fragte er leise. Offenbar wollte er während der Party kein Aufsehen.
    »Nein. Aber Sie wohl wie verrückt. Sonst hätten Sie nicht solche Pfeifen als Wache abgestellt.«
    Sein Blick ging automatisch zur Tür.
    »Gucken Sie nicht hin. Und halten Sie den Mund. Da draußen stehen vierzig schwerbewaffnete Männer, deren Kumpels heute morgen in die Luft geflogen sind…«
    »Was?«
    »Sie sollen den Mund halten. Der Albaner hat überlebt.«
    »Überlebt?!«
    »Sprech ich undeutlich? Jedenfalls gibt’s hier gleich ein Gemetzel, und entweder Sie kommen mit mir raus und beantworten mir ein paar Fragen, und vielleicht kann ich ein Wort für Sie einlegen, oder Sie schauen sich jetzt noch mal kurz in dieser Welt um. Ich zähl bis drei, dann geh ich, bei fünf sind Sie tot.«
    Alle Härte war aus seinem Gesicht gewichen, übrig blieb ein bleicher Fladen mit schlaffem Loch. Ich packte ihn am Arm und zog ihn in den Flur hinaus. Während ich die Pistole zog und ihn vorwärts stieß, hörte ich vom anderen Ende ein Zischen und meinte zu spüren, wie das Gebäude zu vibrieren begann.
    Wir waren an der Tür zum erstbesten Büro, als ich die Stimme des Albaners und das Zerspringen fallen gelassener Gläser hörte. Irgend jemand antwortete in beschwichtigendem, fast freundschaftlichem Ton. Offenbar kannte man sich.
    Ich schubste Ahrens ins Zimmer, schloß die Tür hinter uns, und während nebenan die Hölle losbrach, brüllte ich ihm ins Ohr, er solle mir die Namen der zwei toten Schutzgeldeintreiber nennen und sagen, wo die Mutter des Mädchens sei, das ich vor drei Tagen aus dem Flüchtlingsheim mitgenommen hatte.
    »Hä?!«
    »Gregor oder die zwei Fuzzis mit den gebrochenen Beinen werden Ihnen ja wohl davon erzählt haben!«
    »Ja, klar, aber…«
    Und dann passierte eine Menge fast auf einmal. Als erstes fing Ahrens plötzlich an zu lachen. Hysterisch, der Situation angemessen, aber auch ganz unangemessen hämisch.
    Für einen Augenblick irritiert, hörte ich zu spät, daß sich zumindest ein Teil des Kampfes in den Flur verlagerte. Die Tür sprang auf, und Zvonkos Onkel stürzte blutüberströmt mit einem langen Küchenmesser in der Hand auf mich zu. Natürlich stürzte er in erster Linie von jemandem weg, aber für mich machte das wenig Unterschied. Ohne zu zögern, jagte ich ihm noch ein paar Kugeln mehr in den Bauch, und der Mann platzte förmlich auseinander. Hinter ihm her kam mit aufgerissenen, berauschten Augen, das Gesicht voller dunkler Spritzer, einer der Kettchenträger. Ahrens hatte inzwischen das Fenster erreicht und riß am Hebel. Wahrscheinlich wäre in dieser Situation kaum einer, der heute da war, um Rache zu nehmen, auf die Schnelle davon in Kenntnis zu setzen gewesen, daß sich die Fenster ausschließlich kippen ließen, aber bei einem Kettchenträger machte ich mir erst gar nicht die Mühe, es zu versuchen. Ich ließ die Pistole sinken und sah ziemlich teilnahmslos zu, wie er sein gesamtes Magazin in Ahrens leerte. Während es so vor sich hin knallte und Ahrens sich am Boden immer mehr in einen wie mit Wurstmasse gefüllten Anzug verwandelte, ließ mich das Bild von seinem hämischen Lachen nicht los. Ich wandte den Blick von der Sauerei ab und schaute aus dem Fenster. Im Firmenschild des Schrotthändlers spiegelte sich die untergehende Sonne. Irgendwas störte mich daran.
    Kurz darauf war die Aktion beendet, und ein Strom von Schritten ertönte den Flur hinab zum Treppenhaus. Der Kettchenträger hatte sich schon vor einigen Minuten mit Daumen hoch verabschiedet, und als der Albaner ins Büro trat, saß ich alleine auf dem Schreibtisch und rauchte. In seiner Hand steckte der dünne Arm der schwarzhaarigen Frau.
    Ihre Bluse war zerrissen, auf ihrem bleichen, von geplatzten Äderchen durchzogenen Gesicht glänzten Tränen und Sabber, ihr Mund zitterte, und ihre Iris bewegten sich wie hart geschossene Flipperkugeln.
    Der Albaner warf einen Blick auf das, was von Ahrens übrig war, dann nickte er zur Seite. »Haben Sie nicht was vergessen?«
    Vielleicht hätte er sie laufenlassen, aber sicher schien mir das nicht. Und weil sie in der Angelegeheit kaum eine größere Rolle als die von Ahrens’ letzter Safaripartnerin gespielt haben konnte, sagte ich so überzeugend wie im Moment möglich: »Mir blieb nicht genug Zeit.«
    »Nicht genug Zeit. Und da haben Sie lieber den genommen?« Er
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