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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet
Autoren: Jakob Arjouni
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deutete zu Boden und betrachtete mich mit leichter Verachtung.
    »Ach, lassen Sie mich in Ruhe. Es ist die Falsche, okay? Aber sie ist sicher nur irgend ‘ne Nutte und hat mit der Sache nichts zu tun.«
    »Gut.« Er ließ die Frau los, zog ein Taschentuch aus seiner Jacke und wischte sich die Hände ab. »Alles in allem…«, er steckte das Taschentuch wieder ein und nickte mir zu, »… danke.« Dann wandte er sich ab und ging hinaus.
    Ich sah auf die leere Tür und lauschte seinen Schritten. Irgendwann huschte ein Schatten vorbei, aber erst als ich aufstand und mich langsam zum Flur bewegte, dachte ich nebenbei, daß das wohl die Frau gewesen sein mußte.
     
    ».. .Was hast du damit gemeint, deine Mutter sei seit letzten Sonntag verschwunden? Letzten Freitag, Samstag, Sonntag oder das letzte Mal, daß die Sonne geschienen hat?«
    »Letzte Mal, daß die Sonne geschienen hat.«
    »Okay…« Ich sprach ganz ruhig. Nur meine Optik veränderte sich. Ich begann nur noch die Dinge zu sehen, die ich im Moment dachte, und ich dachte nur noch Dinge. Telefonhörer, Gabel. Alles drum herum wurde verschwommen, grau oder verschwand einfach. »Ich ruf dich wieder an.«
    »Was ist mit meine Mutter?«
    »Ich hab sie noch nicht gefunden. Es geht alles ein bißchen drunter und drüber. Ich muß weiter. Bis später.«
    »Bis später.«
    Telefonhörer, Gabel, Auto. Ich lief über die Straße. Schlüssel, Zündschloß, Gangschaltung. Es war kurz vor acht. Ich reihte mich in den samstäglichen Vergnügungsverkehr ein. Ampel, Auto vor mir, Bremse, grünes Licht, Gaspedal, Blinker, Kurve. Als ich Frankfurt hinter mir ließ, sah ich nur noch das graue Teerband, das sich immer schneller dem Taunus entgegenzog. Dann begann der Wald. Scheinwerfer, Waldwege… der Waldweg. Ich bog von der Straße ab und parkte das Auto. Baum, Wurzel, vom Regen der letzten Tage fest gewordene Erde - Hände, Krallen, Schaufeln. Es war dunkel im Wald. Feuerzeug, Plastiksackflecken, noch ein paar Batzen Erde, ein Kopf… Ich zögerte keine Sekunde, dafür hätte ich etwas anderes als Dinge denken müssen, und ich dachte nur noch ein Ding, und im nächsten Moment hielt ich die Perücke in der Hand. Schwarze, lange Haare fielen über das von einer Woche Im-Waldboden-Liegen verunstaltete Gesicht. Das Aufschnallen der kugelsicheren Weste war dann nur noch mechanisch. Büstenhalter.
     
    Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ich nach Hause kam und was ich dann genau gemacht habe. Schemenhaft kam mir der Gemüsehändler im Hausflur entgegen, und ich glaube, ich sagte ihm, er könne sich ins Bett legen, es gebe keine Mafia mehr. Erst am späteren Abend mit einer Flasche in der Hand wurde mir bewußt, daß ich so bald wie möglich mit Leila reden mußte. Ich konnte sie nicht länger rumsitzen und hoffen lassen. Ich sah auf die Uhr. Halb elf. Ich rief Slibulsky an und bat ihn, dabeizusein, wenn ich gleich vorbeikäme, um mit Leila zu sprechen. Eine halbe Stunde später saßen wir am Küchentisch, und ich erklärte ihr, daß ihre Mutter nach dem Treffen mit dem Zagreber Industriellen auf der Rückfahrt nach Frankfurt bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei. Es schienen mir die für Leila am wenigsten schmerzhaften Umstände. Nachdem ich sie eine Weile im Arm gehalten hatte, sagte sie, sie wolle alleine sein, und verschwand ins Wohnzimmer. Slibulsky versprach, sich um Leila zu kümmern, und versuchte mich zu überreden, die Nacht über dazubleiben, aber ich wollte nach Hause.
    Er brachte mich zur Tür.
    »Die war’s?«
    »Glaub schon.«
    »Und es war ein Unfall?«
    »Jedenfalls keine Absicht.«

Juli 1998
     
    20
     
    Zwei Monate später weihte Romario seine neue Kneipe, >Rommys Irish Pub<, ein. Wir hatten uns davor zufällig in der U-Bahn getroffen, als ich gerade von vier Wochen Korsika zurückkam.
    »Wieso Irish Pub?« fragte ich verdutzt.
    »Weil’s so was in der Gegend noch nicht gibt und weil die Leute Pubs mögen. Guinness, Whiskey, irische Musik - kommt toll an.« Romario trug einen neuen, leicht schillernden, grünen Anzug mit dicken Lederknöpfen, bunte Turnschuhe mit zirka vierfacher Sohle, hatte die Haare über der Stirn zu einer Surferparadieswelle gefönt, die sich in hohem Bogen um ein faustgroßes Luftloch schloß, und strahlte, als starte er das Projekt seines Lebens.
    »Ich hab das Geld von der Versicherung bekommen, weißt du?«
    »Was gibt’s da zu essen?«
    »Im Pub? Hast du in einem Pub schon mal was gegessen?«
    »Nein, aber ich war auch
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