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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet
Autoren: Jakob Arjouni
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heute nur im Weg. Hin und wieder, wenn ich zum Essen kam oder Slibulsky abholte, passierte es, daß sich unsere Blicke länger trafen als nötig, und alles kam wieder hoch.
    Slibulsky hatte mir erzählt, Leila habe einen Kollegen engagiert, um ihren Vater zu finden. Geld genug besaß sie. Einer ihrer zwei Koffer, mit denen wir das Flüchtlingsheim verlassen hatten, war, wie ich ebenfalls durch Slibulsky erfuhr, randvoll mit goldenen Tellern, Schmuck und Scheinen gewesen. Stascha Markovic mußte beim Geldeintreiben ordentlich für die eigene Kasse draufgeschlagen haben. Die Videokassetten befanden sich immer noch bei mir. Als ich aus dem Urlaub zurückkam, schaffte ich es endlich, sie in die hinterste Ecke meines Kleiderschranks zu räumen. Wenn ich abends im Dunkeln lag, kam es mir manchmal vor, als wären sie angereichertes Uran oder so was und würden unsichtbar durch Holz und Wohnung strahlen. Leila fragte nicht danach. Vielleicht hatte sie inzwischen eine Ahnung und ließ mir die Kassetten. Oder ihr tat der Gedanke an das, was darauf zu sehen war, so weh, daß sie die Existenz der Dinger vorerst einfach ausblendete.
    Ich hoffte, Leila würde nie auf die Idee kommen, einen halbwegs fähigen Kollegen darauf anzusetzen, bei welchem Unfall genau, wie und wo ihre Mutter umgekommen sei.
    Während Slibulsky Nachschub holte, redete Zvonko auf Leila ein und brachte sie zum Lachen. Selbst durch das schummrige Halbdunkel konnte ich ihre Augen aufleuchten sehen, und ihr randvolles Bistrotisch-Gesicht verwandelte sich für einen Moment in einen einzigen, bezaubernden Ausdruck ausgelassenen Glücks. Ich wandte schnell den Blick ab.
    »Und wie läuft’s mit Gina?« fragte ich, als Slibulsky mit zwei vollen Gläsern zurückkam.
    »Och, wir sehn uns im Moment selten, beide viel Arbeit, aber is schon in Ordnung«, murmelte er das Thema weg und kam übergangslos auf die wm zu sprechen. Frankreich war ein absolut akzeptabler Weltmeister, wenn wir auch beide auf Holland gesetzt hatten. In Slibulskys Büro hing seit einer Woche ein Zinedine-Zidane-Poster, und wir ließen an diesem Nachmittag keine Gelegenheit aus, Romario auf die brasilianische Mannschaft anzusprechen: Anstatt mit Fußball solle die zugegebenermaßen gutaussehende Truppe ihr Geld doch besser mit Werbung für Herrendüfte oder Diätfruchtsaftgetränke verdienen - Hauptsache, sie heulten einem nicht mehr jede zweite Sportsendung voll, weil sie im Finale nicht immer gewannen. Romario kratzte das leider wenig, er interessierte sich wohl nicht besonders für Fußball. Möglicherweise hielt er aber auch inzwischen zur deutschen Mannschaft. Oder zur irischen.
    Irgendwann übernahm Slibulsky das cd-Auflegen. Er blieb, den Anlaß respektierend, zwar bei irischer Musik, aber plötzlich klang das anders, und bald tanzten die ersten Paare zu »Carrickfergus« von Van Morrison und den Chieftains. Ich trank Whiskey an der Theke und unterhielt mich mit einer Transe über die geplante Verlegung des Frankfurter Hauptbahnhofs unter die Erde, als sich eine Reihe türkis gelackter Fingernägel neben meinen Ellbogen schob.
    »Na, haben Sie Ihre Millionen Suppen noch gefunden?«
    Ich wandte mich um und sah in das lächelnde, vom Alkohol leicht gerötete Gesicht von Fräulein Kaugummi.
    »Na, so was! Wo sind Sie geblieben? Als ich das nächste Mal zu Ahrens kam, war die Telefonzentrale leer.«
    »Gekündigt. Bleib doch nicht in ‘nem Laden, wo die Kunden so rauskommen wie Sie. Außerdem war ich demnächst selber dran gewesen. Ihr Abgang war nicht die erste Sache, die ich nicht hätte mitbekommen sollen. Der ganze Betrieb war wohl ’ne reine Gangsterveranstaltung. Mich haben sie nur eingestellt zum Rumsitzen und damit’s vorne raus halbwegs seriös wirkt.«
    »Halbwegs ist das richtige Wort. Lesen Sie Ihre Frauenzeitschriften jetzt zu Hause?«
    »Ich lese sie an meinem neuen Schreibtisch bei einer Speditionsfirma. Und da Sie richtige Worte mögen, sollen Sie sie auch alle verstehen: ‘ne reine Gangsterveranstaltung ist eine, bei der bis auf die Frau in der Telefonzentrale ausnahmslos jeder, der in der Firma arbeitet oder etwas von der Firma will, Gangster ist. Womit dachten Sie Ihre Erdbebenopfer zu versorgen, Kokaincremesuppen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Vergessen Sie’s. Jedenfalls hab ich mit Ahrens keine Geschäfte gemacht. Was möchten Sie trinken?«
    Sie zögerte und betrachtete mich einen Augenblick forschend, dann sagte sie: »… Dieses Dickbier da, ich hab noch nichts
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