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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet
Autoren: Jakob Arjouni
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Typ einzutopfen?«
     
    2
     
    Vor zehn Jahren war Slibulsky ein kleiner Drogendealer zwischen Bahnhofsviertel und Westend-Schickeria gewesen. Er schmuggelte, streckte und verkaufte, was er in die Finger bekam und was nicht den sofortigen Tod der Konsumenten bedeutete. Er selber hielt sich an Bier. Nebenbei war er offen für alle Geschäfte, die ihm im schlechtesten Fall nicht mehr als fünf Jahre Gefängnis einbringen würden. Bei einem dieser Geschäfte lernten wir uns kennen. Er half mir, ins Frankfurter Polizeipräsidium einzubrechen. Wenig später wurde er mit Koks erwischt und kam für ein Jahr hinter Gitter. Ich schickte ihm Pakete mit Fußball-WM-Videos und Rindswürsten, und er bedankte sich mit einem Karton selbstgefertigter Wäscheklammern. Ich war ehrlich gerührt. Bis heute steht der Karton in meiner Küche, und alle paar Wochen denke ich, wie schön es wäre, einen Garten oder einen Hof mit einer Wäscheleine zu haben.
    Auf Bewährung entlassen, machte Slibulsky als Bordellrausschmeißer weiter, dann als Diskjockey in verschiedenen Vorstadtdiskotheken und schließlich als Leibwächter eines Kommunalpolitikers. Der hatte zwar von niemandem was zu befürchten, führte aber seinen Wahlkampf unter dem Motto >Gegen tägliche Gewalt auf unseren Straßen - ich greife durch< und schleppte Slibulsky quasi als umgekehrten Beweis für die von ihm beklagten Zustände mit sich durch die Wahlveranstaltungen. Im Stadtteil, in dem er kandidierte, gipfelte die Kriminalität in auf den Bürgersteig fallen gelassenen Kaugummipapierchen, und das Gewalttätigste, was sich auf den Straßen abspielte, waren bellende Pudel und meckernde Rentner. Die Wahl wurde gewonnen und Slibulsky gefeuert. Für eine Weile stieg er wieder ins Drogengeschäft ein, bis er vor drei Jahren eine Idee hatte und einen Betrieb mit Speiseeiswagen eröffnete. Diese kleinen von einem Fahrrad gezogenen, meistens mit den italienischen Nationalfarben bewimpelten Kisten, die einen früher klingelnd durch die Sonntage begleitet hatten - oder von denen man heute wenigstens glaubt, sie hätten es. Keine Ahnung, ob ich als Junge jemals Eis an so einem Wagen gekauft oder überhaupt nur mal einen gesehen habe, aber wenn jetzt einer die Straße runterkam oder vorm Schwimmbad stand, war ich jedesmal wieder für einen Moment lang acht. Und weil das nicht nur mir so ging und weil sich fast alle, die sich erinnerten oder sich zu erinnern meinten, inzwischen die Superriesentüte mit sieben Kugeln leisten konnten, ohne einen Krater in den Taschengeldhaushalt zu bomben, war Slibulskys Geschäft ein voller Erfolg. Kinder kauften zwar auch, aber den Reibach machte er mit Leuten, die sich für zehn Mark vergangene Sommer heranholten. Er hatte neun Angestellte, die bei prozentualer Beteiligung sieben Tage die Woche für ihn fuhren, während er in einem Büro mit Kabelanschluß saß, Geld zählte und Formel i guckte. Hin und wieder ein paar Reparaturen, dann und wann ein Angestellter, der sich mit den Tageseinnahmen verdrückte, und zweimal Anzeigen wegen Lebensmittelvergiftungen - ansonsten tausend, zweitausend, Schumacher, erste Startreihe. Inzwischen hatte er genug verdient, um mit seiner Freundin Gina ernsthaft auf der Suche nach einem eigenen Haus mit Lagerhalle und Werkstatt zu sein, wo er seinen Betrieb dann mehr oder weniger vom Schlafzimmer aus dirigieren könnte.
    Daß Slibulsky mir in dieser Nacht half und alles aufs Spiel setzte, was er sich in den letzten drei Jahren nicht nur finanziell aufgebaut hatte, war… na ja, ganz schön beeindruckend.
    »Nicht da lang!« Er wedelte mit der Hand. »Da ist ‘ne Diskothek, und hundert Meter weiter machen sie nachts regelmäßig Alkoholkontrollen.«
    Wir waren auf dem Weg in den Taunus, um die Leichen irgendwo im Wald zu vergraben. Allein beim Gedanken, in eine Polizeisperre zu geraten und nach Papieren gefragt zu werden, brach mir der Schweiß aus. Selbst wenn mir die Frankfurter Polizei den großen Freundschaftspreis verliehen hätte und >Kayankaya< das geflügelte Wort für Ehrlicher-Mann-dem-du-glauben-sollst gewesen wäre, hätte ich allerhand Schwierigkeiten gehabt, die Herkunft des Autos, seinen Kofferrauminhalt und die zwei Spaten aus Slibulskys Garage auf der Rückbank zu erklären.
    »Da vorne rechts«, dirigierte Slibulsky. »Und kriech nicht so.«
    »Ich fahr fünfzig, wie vorgeschrieben.«
    »Niemand fährt nachts um zwei in ‘nem Wagen, der zweihundert kann, wie vorgeschrieben.«
    Ich sagte nichts darauf,
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