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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet
Autoren: Jakob Arjouni
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Wirt ’ner miesen kleinen Aufgewärmte-Bohnen-Pinte sechstausend Eier im Monat verlangt - soviel wie in der Inneneinrichtung steckt, wenn überhaupt. Damit will ich sagen: Mit halben Sachen geben die sich nicht ab. Vielleicht haben sie ‘n Knall und übertreiben, und ihr Laden läuft nicht mehr lange, aber solange er läuft, gibt’s keine Kompromisse mit denen, keine Verhandlungen, nichts. Entweder du legst den Rest der Bande auch noch um, oder sie legen dich um.«
    »Und was soll ich also tun?«
    »Du sollst den Tangomann abschwirren lassen und die Sache vergessen. Der kommt schon wieder auf die Beine. Um einen, der in ‘ner Situation wie vorhin an seinen Alukochtopf denkt, muß man sich keine Sorgen machen. Und du schließt dein Büro für ’n paar Wochen ab und fährst ins Grüne. Irgendwohin, wo dich diese Armee nicht findet und wo du ‘n bißchen Farbe ins Gesicht kriegst.«
    Ehe ich etwas erwidern konnte, winkte Slibulsky ab: »Schon klar. Wieviel etwa?«
    Ich zögerte, wußte, daß ich das, was Slibulsky mir anbot, nicht annehmen wollte, rechnete trotzdem. »Na ja … Ich bin mit der Büromiete zwei Monate im Rückstand, das Telefon ist noch nicht bezahlt, und ich schulde jemandem dreitausend Mark.«
    Dieser Jemand war Slibulsky.
    »Schön, ich geb dir siebentausend für Miete und Telefon, mit dem Rest machst du Ferien. Und die dreitausend vergißt du einfach…« Slibulsky machte eine Pause, dann grinste er breit. »Der Typ, dem du sie schuldest, hat nämlich genug.«
    Um Slibulsky einen Gefallen zu tun, grinste ich mit. Mit den Gedanken war ich woanders. Es hatte nichts mit Stolz oder Ehre zu tun, sein Geld abzulehnen. Ich hätte zwanzigtausend genommen, ohne mir groß Gedanken zu machen, denn keine Frage, Slibulsky hatte genug, oder jedenfalls so viel, daß wir beide es für genug hielten. Aber ich war so blöd gewesen, von Romario einen Auftrag anzunehmen, und ich hatte den Auftrag versaut, und ein Haufen Energie und Blut waren sinnlos verschwendet worden. Wenn zwei Leute sterben und danach ist alles wie zuvor, eher schlimmer, dann stimmt irgendwas nicht. Ich mußte dem Ganzen einen Sinn geben, und sei es nur, indem ich es schaffte, daß Romario wieder in Ruhe im >Saudade< mit Schimpferei übers deutsche Wetter und einer Schürze mit aufgedruckten Papageien den Brasilianer geben konnte.
    Ich hätte es mir auch einfacher sagen können: Ich wollte niemanden erschossen haben.
    »… Danke, Slibulsky, aber: Von mir aus ist Romario ein Idiot - und das ist er -, doch seinetwegen ist das nun mal alles so gekommen, und ich finde, irgendwer sollte was davon haben. Außerdem muß ich wissen, wer die zwei waren. Ich kann nicht einfach so jemanden erschießen. Das vergeß ich nicht.«
    Slibulsky sah geradeaus und lenkte den Wagen ruhig. Im schwachen, orangenen Licht des Armaturenbretts war seine Miene nicht zu erkennen. Bis zum nächsten Dorf fuhren wir stumm.
    »Tja«, sagte er schließlich, »ich glaube, es bricht keinem ‘n Zacken aus der Krone, wenn er mal richtig Scheiße baut. Und besonders viel Spielraum haben sie uns nun nicht gerade gelassen. Aber du machst das, wie du mußt. Drei Sachen: Behalt meinen Namen für dich, zahl deine Miete von meinem Geld, und laß uns, wenn wir den Tangomann zum Flughafen gebracht haben, zu mir fahren. Es gibt zu essen, und du kannst auf der Couch schlafen.«
    »Handkäs?«
    Slibulsky nickte. »Und ich hab noch ‘n Kasten Bier im Kühlschrank.«
     
    Als Frankfurts Wolkenkratzer vor uns auftauchten, rutschte ich tiefer in den Sitz und freute mich an den neben dem Mond leuchtenden Chefetagenlichtern. Wie es auch immer um mich steht, jedesmal wenn ich nach Frankfurt hineinfahre, geht mir beim Anblick der Skyline für einen Moment das Herz auf. Normalerweise liegt es wahrscheinlich nur an dem Bild eines konzentrierten, kraftvollen Orts, das die dicht beieinanderstehenden Hochhäuser aus der Ferne abgeben und das einem, der irgendwo dazwischen seine Zimmerchen hat, für einen Moment die Illusion beschert, selber konzentriert und kraftvoll zu sein. Aber diesmal ging von den Betonpfeilern noch etwas anderes aus. Als wir am Messeturm vorbeifuhren und ich die Fassade hinaufsah, die endlos in den Himmel zu wachsen schien, spürte ich zum ersten Mal seit der Schießerei ein bißchen Ruhe in mir. Ob es mein albernes Unterbewußtsein war, das mir einflüsterte, jemand Kleines wie du kann keine wirklich großen Schweinereien anrichten? Oder einfach das Gefühl beim Anblick eines so
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