Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
blieb aber bei meinem Tempo. Ich wollte lieber wegen Doofheit als wegen Überheblichkeit ins Gefängnis wandern.
    »Außerdem hängst du mit der Karre doch jedes Blaulicht ab.«
    »Herrgott, Slibulsky!«
    »Na, was denn?«
    Ja, ich war davon beeindruckt, daß und wie er mir half. Ohne ihn hätte ich die Nacht niemals heil überstanden, geschweige denn alles so regeln können, daß für Romario immerhin eine Chance bestand, halbwegs ungeschoren davonzukommen - aber jetzt wäre ich gerne alleine gewesen. Slibulsky war über die Jahre zu meiner Art Familie geworden. Manchmal ein großer Bruder, der mir Ratschläge geben und mich zur Vernunft bringen konnte, der, je nach Notwendigkeit, hinter mir stand oder sich vor mich stellte und vor dem ich keine Geheimnisse hatte. Aber hin und wieder auch ein kleiner Bruder, der mich mit Gezänk und Eigensinn verrückt machte, mir zwischen den Beinen rumlief und im Weg stand und dem ich nicht mal die Uhrzeit verraten mochte, aus Angst, das würde möglicherweise zum Spalt, durch den er seine Nase in meine Angelegenheiten stecken könnte.
    »Laß uns die Typen vergraben, die Kneipe aufräumen und Romario zum Flughafen bringen, okay? Wenn wir Glück haben, schaffen wir’s, danach ein bißchen zu schlafen. Alles andere, wie man Auto fährt zum Beispiel, können wir morgen besprechen.«
    Slibulsky sah mich von der Seite an, und es war zu spüren, wie ihm die Erwiderungen durch den Kopf jagten. Doch dann knurrte er nur irgendwas in sich hinein, steckte sich einen frischen Bonbon in den Mund und beugte sich zur Musikanlage. Als er den Power-Knopf drückte, begann sie in zig verschiedenen Farben zu strahlen und zu blinken wie ein kleiner Rummelplatz. Er schob die einzige rumliegende cd rein, irgendein Techno-Geballer mit Schwuchtel-Singsang. Slibulsky ließ es laufen. Volle Lautstärke. Ich faßte es nicht.
    »Slibulsky, mach die Scheiße aus!«
    Mit dem Kopf vor und zurück wippend, schrie er durch den Krach: »Warte mal! Erst mal reinhören! Das ist gar nicht so schlecht!«
    Aber ich wartete nicht. Und weil ich unter dem Beschuß aus vier Baßlautsprechern und mit den Bildern zerplatzender Gesichter im Hinterkopf und mit den Leichen im Kofferraum und den Lichtern der Anlage neben mir und der dunklen Landstraße vor mir für einen Moment das Gefühl hatte, geradewegs in die Hölle zu rasen, drückte ich nicht den Power-Knopf, sondern nahm den Fuß vom Gas und trat den Rummelplatz zu Schrott.
    »… Bist du irre?!«
    »Du bist irre! >Erst mal reinhören!< Ich glaub, ich spinne!«
    Eine Zeitlang war nur das leise Surren des Motors zu hören.
    Schließlich räusperte sich Slibulsky und sagte kühl: »Es war nicht meine Idee, Jungs abzuknallen und Leichen zu verbuddeln. Aber jetzt ist es so gekommen, und wir haben’s im Kopf, und das geht nicht dadurch weg, daß wir Verkehrsregeln einhalten. Über technische Fragen, etwa daß uns in dem Wagen kein Bulle mit seinem vw-Rumpelmotor je einholen kann, willst du nicht reden, und dich mit ‘n bißchen Musik ablenken, und sei sie noch so unter aller Sau, willst du auch nicht - aber ich vielleicht. Von mir aus bist du ’n Superkiller, der irgendwen umlegt und danach sein Nickerchen macht - ich hätt’s nach soviel Tod gerne ein bißchen lebendiger!«
    Ich reagierte nicht. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte ich geradeaus und hielt penibel, als könnte ich damit irgendwas beweisen, meine fünfzig Kilometer die Stunde. Tatsächlich war das um diese Uhrzeit auf leerer, gerader, geteerter Straße eine entnervende Geschwindigkeit. Behutsam drückte ich aufs Gas. Als wir achtzig fuhren, war ich soweit, »Tut mir leid« murmeln zu können.
    Slibulsky schüttelte den Kopf. »Mann, Mann, Mann!« Und nach einer Pause: »Weißt du, was jetzt gut wäre?«
    »Was?«
    »Vögeln.«
    »Bitte…?«
    »Als Ausgleich«, sagte Slibulsky. »Meine Rede. Was dir fehlt, is ‘ne feste Freundin. Und jetzt sag nicht wieder >Ach, Slibulsky<. Ich wette, wenn jemand zu Hause auf dich warten würde, wärst du nicht so… so nervös.«
    »Nervös?! Wir haben ‘ne Schießerei hinter uns und zwei Tote im Kofferraum!«
    »Ich sag ja: Da brauchts ‘n Ausgleich. Und es gibt öfter mal Abende, wo’s den braucht.«
    »Aha.«
    »Ich mein’s ernst.«
    »Slibulsky! Ich denke, was die Themen dieser Nacht betrifft, sind wir auch ohne mein Privatleben ganz gut ausgelastet.«
    Slibulsky sah mich an, kratzte sich am Ohr. »Bist du immer.«
    »Was bin ich immer?«
    »Ausgelastet ohne
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher