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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk
Autoren: Hans Dominik
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Atem, schauderte und wollte zurückweichen – da umklammerte er sie, schüttelte sie wie ein leeres Bündel. »Spion!? Spion soll ich werden? Für Hopkins? ... Und du, meine Frau – noch sind wir ja nicht geschieden –, du bietest mir an, ich soll für deinen Geliebten arbeiten – als Spion? Erwürgen müßte man dich!«
    Ein gellender Schrei. Sinnlos vor Angst, stürzte sie zur Tür, stürmte die Treppe hinab, riß den Schlag des Autos auf, sank halb ohnmächtig in Hopkins Arme. »Fort, Steve! Fort! Er ist wahnsinnig! Er wollte mich umbringen!«
    Böse Zeiten kamen für Hartlaub. Und es kam der Tag, da der Vermieter in Begleitung eines Fremden in seiner Wohnung erschien und mit dürren Worten sagte: »Hier ist der neue Mieter. Sie müssen raus, werter Herr!«
    Er machte keinen Versuch, den Mann umzustimmen; packte seine Sachen in ein kleines Bündel und verließ das Haus. Tagelang irrte er in den Straßen der Riesenstadt umher und suchte vergeblich nach einer Beschäftigung. Ein paar Mahlzeiten in einer Heilsarmeeküche hielten seine Kräfte eine Zeitlang noch zusammen. Bisweilen gelang es ihm, ungeduldigen Theaterbesuchern nach Schluß der Vorstellung eine Droschke zu besorgen. Die wenigen Pennys, die er dafür bekam, reichten wenigstens hin und wieder für ein Obdach. Manche Nacht aber mußte er auf einer Bank im Freien verbringen.
    So stand er eines Abends wieder vor einem Theater und wartete auf Gelegenheit, seine Dienste anzubringen. Während er die Heraustretenden musterte, fiel sein Blick auf ein Paar, das einem Privatwagen zuschritt. Ein Diener öffnete den Schlag.
    Hartlaub stieß einen Schrei aus und lief mit erhobenen Fäusten auf die beiden zu. »Steve Hopkins!« Schon stand er dicht bei dem Wagen. Da warf ein Boxhieb des Dieners ihn wie einen Sack aufs Pflaster.
    Juliette war bei dem Schrei zusammengefahren. »Was war das, Steve? Wer rief da?«
    Der zuckte die Achseln. »Wer weiß? Irgendein Betrunkener.«
    Er schob sie schnell in den Wagen. Beim Anfahren warf Juliette ängstlich-neugierig einen Blick durch die Scheibe, stöhnte auf und beugte sich vor. Ein Polizist hatte den zu Boden Gesunkenen ins Licht eines Straßenkandelabers gehoben. Es war ihr Mann.
    »Wilhelm!« Noch einmal wollte sie rufen – da ratterte der Wagen schon in voller Fahrt. Hopkins’ Hand zwang sie auf ihren Sitz nieder. —
    »Lungenentzündung – Unterernährung dazu!« sagte der Arzt des Krankenhauses, in das Hartlaub eingeliefert worden war.
    Lange Wochen, in denen der Patient zwischen Leben und Tod schwebte ... Fast ebenso lange dauerte die Zeit der Genesung.
    Der Patient fühlte sich wieder voll bei Kräften. Er fürchtete allmorgendlich, das schreckliche Wort zu hören: »Herr Hartlaub, Sie werden morgen entlassen!« Und freute sich dankbar eines jeden Tags, der ihm hier noch geschenkt ward. Die reichliche Kost, das gute Bett, die freundliche Behandlung – nach der Hölle der letzten Monate wähnte er sich im Paradies ...
    Eines Nachmittags, als er gerade einen Spaziergang im Garten machte, trat eine Schwester zu ihm: Er möge ins Büro kommen. Beklommenen Herzens begab er sich dorthin. Ein freundlicher Herr empfing ihn.
    »Sie heißen Hartlaub? Geboren in Deutschland?«
    »Jawohl.«
    »Und Sie fühlen sich wiederhergestellt?«
    »Jawohl.« Fiebernd jagten seine Gedanken. Was sollte das? Entlassen? Nein – das konnte es nicht sein. Polizei? Ein jäher Schrecken: Joe Pitman – Zuchthaus –! Hartlaub sah furchtsam zu dem Beamten auf.
    »Sie halten sich auch für kräftig genug, eine Reise ertragen zu können?«
    »Eine Reise?« stammelte der Überraschte.
    »Ja, Herr Hartlaub. Der Krankenhausverwaltung wurde eine Karte nach Hamburg für Sie zur Verfügung gestellt. Falls Sie bereit sind, das Billet zu benutzen, wollen Sie, bitte, diesen Schein unterschreiben, wobei Sie gleichzeitig den Empfang einer Barsumme von 1000 Mark quittieren.«
    Wie vor den Kopf geschlagen, stand Hartlaub einen Augenblick stumm. Dann, mechanisch, ohne zu überlegen, ergriff er die hingehaltene Feder und unterschrieb. Als er gehen wollte, hielt der Beamte ihn lächelnd zurück: »Sie vergessen ja die Hauptsache! Hier das Geld – hier die Fahrkarte!« Er tat beides in einen Umschlag und steckte ihn dem noch halb Betäubten in die Tasche.
    Die kurze Fahrt über die See vollendete Hartlaubs Gesundung. Und damit kam auch neuer Lebensmut über ihn, und die Pläne und Träume vieler schlafloser Nächte gewannen von Tag zu Tag festere Gestalt. Das
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