Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk
Autoren: Hans Dominik
Vom Netzwerk:
auf Tilly. Fast hätte er sich vor die Stirn geschlagen ... Wie konnte er die vergessen?
    Tilly lächelte ihm freundlich zu und ging dann, als ob sie ahne, was er wolle, in Fortuyns Privatzimmer. Als sie allein waren, reichte ihm Tilly in freudiger Bewegung die Hand. »Gratuliere, Herr Doktor Hartlaub! Hörte schon vor ein paar Tagen so etwas läuten, als Doktor Fortuyn sich verabschiedete.«
    Und wie sie so sprachen, und wie er immer stärker merkte, mit welch tiefem Mitgefühl sie stets an seinem Schicksal teilgenommen, da drängte es ihn, sie auch das Letzte wissen zu lassen. Ihr anzuvertrauen, was er geglaubt hatte, für immer als tiefstes Geheimnis bewahren zu müssen.
    Als er gegangen war, saß Tilly noch lange still da. Ihre Gedanken kamen nicht los von dem sonderbaren Geschick dieser beiden merkwürdigen Menschen.
    Dr. Rudolf Wendt, der mit einem Brief in der Hand in das Zimmer trat, schaute sie verwundert an. »Was machen Sie denn für ein Gesicht, Tilly? Sie sehen ja aus, als wenn Ihnen die ganze Petersilie verhagelt wäre!«
    »Ach, lassen Sie diese Redensarten, Herr Doktor Wendt!«
    »Hoho, Tilly! So kratzbürstig? Kleine Laus über die Leber gelaufen? Wittebold kam eben hier raus. Was wollte denn der alte Knabe?«
    Tilly fuhr auf. »Lassen Sie den Mann! Hinter dem steckt mehr als hinter Ihnen!«
    »Nanu? Nu schlägt’s fünfundzwanzig! Hoheit scheinen schlecht geschlafen zu haben. Werde warten, bis die Wolken von Euer Durchlaucht Stirn verschwunden sind.«
    Dabei machte er eine so komische Reverenz, daß Tilly trotz ihrer ernsten Stimmung ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. »Werden Sie denn niemals Vernunft annehmen, Rudi? Allmählich werden Sie doch zu alt für den ewigen Spaßmacher.«
    »Spaßmacher sagen Sie, Tilly? Galgenhumor ist’s! Hab’ wieder mal einen Brief von meinem alten Herrn gekriegt. Jetzt ist der auch noch krank geworden. Soll jetzt unbedingt einen Punkt hinter meine hiesige Tätigkeit machen. Unser Oberchemide zu Hause ist, wie Sie ja wissen, schon seit einiger Zeit außer Betrieb.«
    »Allerdings ein niederschmetternder Gedanke für Freund Rudi, nun endlich seine Zelte hier abbrechen zu müssen«, sagte Tilly lachend und setzte dann hinzu: »Aber das kommt doch nicht so überraschend. Sie hätten sich doch schon längst mit dem Gedanken vertraut machen müssen.«

»Hab’ ich auch. Und die Arbeit soll mir auch nicht zuviel werden. Ich bin nur der Meinung, das Leben besteht nicht in Arbeit allein. Das Herz will doch auch was haben. Und wenn ich denke, ich soll da ganz allein in unserem Riesenhaus sitzen – meine Eltern wollen in ein Bad –, dann packt mich die Angst. Übrigens...« Er zog aus seiner Tasche eine Fotografie. »Hier haben Sie den Kotten! Leider ist der große, schöne Garten nicht darauf zu sehen. Mein Vater ist ein Gartenfex. Hält ihn immer tadellos in Schuß. Ich habe wenig Sinn dafür. Schade um den Garten, wenn mein alter Herr mal nicht mehr da ist!«
    »Na, dann nehmen Sie sich halt einen Gärtner!«
    »Ach, Gärtner! Was heißt Gärtner? Immer da einen fremden Menschen rumlaufen zu haben! Ich fände es viel netter, wenn einer aus dem Hause, ein Nahestehender, den Garten mit Liebe betreute.«

Tilly wandte sich achselzuckend zur Seite.
    Rudi trat mit schmeichelnder Miene zu ihr. »Der schöne Garten, Tilly! Sie sprachen doch einmal davon, wie Sie es in Ihrem Mietshaus so schmerzlich vermißten, kein grünes Fleckchen zu haben, das Sie pflegen, hegen könnten ... Unser Garten ist tatsächlich sehr schön – hätten Sie wirklich keine Lust? An mir liegt Ihnen ja nicht viel – das weiß ich. Aber des armen, schönen Gartens halber ...«
    Er wollte den Arm um ihre Schulter legen, aber sie wich zur Seite. »Rudi! Sie sind doch wirklich ein komischer Mensch! Also ich soll Ihren Garten heiraten?!«
    »Warum nicht, liebe Tilly? Heiraten Sie den Garten und nehmen Sie mich mit in Kauf! Sie könnten mich ja als Zwerg oder als Pilz in den grünen Rasen setzen.«
    Ärgerlich über die Röte, die ihr bei seinen Worten in die Wangen stieg, trat Tilly zu einem Regal und machte sich daran zu schaffen. »Es ist ja nicht lange mehr bis Weihnachten«, sprach sie, halb über die Schulter gewandt. »Da werde ich Ihnen dann Bescheid geben – wegen des Gartens.«
    Doch wenn sie geglaubt hatte, damit Rudi Wendt loszuwerden, so hatte sie sich geirrt. Sie fühlte plötzlich zwei Hände von hinten sich um ihren Kopf legen. Und so sehr sie sich sträubte, die Küsse Rudis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher