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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk
Autoren: Hans Dominik
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morgen!«
    »Wollen mal sehn, ob Old Joe seine Giftbude schon auf hat!«
    Sie gingen über den Damm auf die andere Straßenseite. »Refreshment Room« stand da über den herabgelassenen Jalousien eines Ladens. »Verdammt! Das alte Biest schläft noch!«
    »Unsinn! Ich sehe Licht!« Der es gesagt hatte, trommelte kräftig gegen das niedrige Fenster. Gleich darauf ging ein Rolladen in die Höhe; die Tür öffnete sich. »Mach schnell, Joe! Schwer geschuftet heute nacht. Her mit deinem Saustoff!«
    »Die Gentlemen wünschen ein Glas Whisky!« Der Wirt wandte sich an eine alte Negerin, die schon unter den Bartisch gegriffen hatte und aus einer Flasche zwei Gläser füllte.
    Der Wirt war zu einem Wandbrett gegangen und nahm einen Schlüssel. Die beiden Gäste leerten mit einem Zug ihre Gläser. Schüttelten sich, verzogen das Gesicht, schnalzten dann befriedigt mit den Lippen. »Bravo, Joe! Neue Sorte, wie’s scheint. Verflucht! Der hat’s in sich! Schnell noch einen, alter Giftmischer!«
    Der Wirt strich gleichmütig, ohne sich um Lob oder Tadel seiner Gäste zu kümmern, ihr Geld ein und schlurfte nach hinten. Hier tastete er sich im Dunkeln eine lange Steintreppe zum Keller hinab, öffnete eine schwere Eisentür und trat in einen Raum, der durch eine starke Lampe taghell erleuchtet war. Die feucht glitzernden Wände warfen das Licht in tausend Reflexen zurück. Geblendet schloß er einen Moment die Augen. Beim Knarren der Tür erhob sich im Hintergrund ein Mann.
    »Nun – fertig, Herr Hartlaub?« Der Wirt deutete auf einen großen Destillierapparat, der in der Mitte des Raumes stand.
    »Das übliche Quantum, Herr Pitman. Auch gleich aromatisiert.«
    Befriedigt schlug der Wirt ihm mit der gewaltigen Pranke auf die Schulter, daß der andere leicht zusammenknickte. Eine kümmerliche Gestalt: die dürftigen Kleider schlotterten um magere Glieder; das hagere Gesicht zeigte in der grellen Beleuchtung eine krankhafte Blässe; unter dem wirr über der Stirn liegenden Haar aber leuchteten ein paar intelligente Augen in fiebrigem Glanz.
    »Mensch, daß Sie mir nur nicht zusammenklappen!« brummte der Wirt und musterte den anderen mitleidigen Blicks. »Der Teufel soll Sie holen, wenn Sie mir eines Tages wegbleiben! Ihr Elixier ist Honig für die Saufbrüder von den Schiffen. Das neue Aroma, das Sie da zusammengestellt haben, macht unseren Sprit so schmackhaft, daß nur die Zunge eines Lords noch den Brennspiritus rausfinden könnte.«
    Der Wirt füllte sich ein Glas aus dem Destillierapparat und ließ den Inhalt mit Behagen über seine Zunge gleiten. »Verteufelt gut, das Zeug! Sollen auch ‘ne Extravergütung kriegen! Ist aber eigentlich zwecklos. Statt was Ordentliches in die Rippen zu stecken, werden Sie’s ja doch bloß verwenden, um Ihre blödsinnigen chemischen Versuche weiterzuführen. Quatsch! Tausendmal Quatsch das alles! Ist dieser Stoff nicht tadellos?« Ein zweites Glas folgte dem ersten.
    Kopfschüttelnd sah er dem anderen nach, der sich wortlos wieder an seine Arbeit begeben hatte; schob dann den mit Sprit gefüllten Ballon unter den Arm und ging nach oben.
    Hartlaub rückte sich einen Schemel an seinen Arbeitstisch, entzündete die Flamme unter dem Apparat und beobachtete die Vorgänge in der Blase, in der jetzt leichte Dämpfe aufstiegen. Die Augen, unverrückt auf das glitzernde Glas geheftet, begannen zu schwimmen, je länger er schaute. Die webenden Schleier schienen feste Gestalt zu gewinnen. Bilder formten sich, wechselten kaleidoskopartig.
    Das Vaterhaus ... der Rhein mit den Umrissen von Ludwigshafen ... ein Laboratoriumssaal, er selber an einem der Arbeitstische ... ein schöner Garten – er tritt hinein – zwei Mädchenarme umschlingen ihn – zwei Lippen suchen die seinen – zwei goldene Ringe an ihren Händen ... Und dann? ... Die bittere Gegenwart hier ...
    Der Ausschank Joe Pitmans ist brechend voll. Der Wirt muß immer neue Gläser mit Whisky füllen. Er steckt Hartlaub, als der am Bartisch vorbeigeht, einige Pfundnoten in die Rocktasche. »Hier das Versprochene! Feines Geschäft heute!«
    Hartlaub war an der nächsten Straßenecke angekommen, als ein großes Polizeiauto in die Hafengasse einbog. Unwillkürlich blieb er stehen, starrte in banger Ahnung dem Wagen nach. Da! Wahrhaftig! Er hielt vor Pitmans Laden!
    Hartlaub sah noch, wie der Wirt von ein paar Polizisten herausgeholt wurde. Dann eilte er die Straße zum Fluß hinab, wo sein Heim lag.
    Er stand nun vor seiner Tür im Hinterhaus
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