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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk
Autoren: Hans Dominik
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einer Mietskaserne, fingerte im Dunkel nach dem Schloß, riß ungeduldig ein Streichholz an, wie um sich zu vergewissern, daß er recht gegangen und sah die kleine Visitenkarte: »Wilhelm Hartlaub, Dr. phil. et chem.« Eine frühere Adresse dick durchgestrichen.
    Noch ehe das Streichholz erlosch, hatte er das Schloß gefunden, tastete sich durch das fast lichtlose Zimmer zu seiner Lagerstatt und warf sich darauf.
    »Was nun?!« Die Frage, die ihn unterwegs ohne Unterlaß bewegt, kam immer wieder auf seine Lippen. In kurzer Zeit stand er mittellos da; und wo inzwischen Arbeit finden, die er leisten konnte? Die monatelangen Strapazen in dem dumpfen, feuchten Keller hatten ihn körperlich völlig heruntergebracht. Einen anderen Barkeeper aufzutreiben, den seine dunklen Künste interessierten, würde nicht leicht sein. War doch das Renaturieren von Brennspiritus ebenso unter drakonische Strafen gestellt, wie der Verkauf von unversteuertem Alkohol.
    Wieviel mochte Pitman ihm in die Tasche gestopft haben? Er entzündete eine Kerze und zählte die Scheine und sah dann nach einem kleinen Kalender an der Wand. Der vierte Tag des Monats. Er überlegte kurz – bis zum Monatsende kam er mit dem Geld noch aus. Aber dann –?
    Der Vierte ... Seine Hand fuhr über die Augen. Ein grelles Lachen: Heute war Juliettes Geburtstag! Wie mochte sie ihn feiern? Noch als Hopkins Geliebte? Dann würde wohl ein reich gedeckter Geburtstagstisch ihrer warten. Aber vielleicht war Hopkins ihrer längst wieder müde. Was war dann aus Juliette geworden?
    Er blies den Lichtstumpf aus. Warf sich wieder aufs Bett und versuchte vergeblich zu schlafen. Die Fülle der Gedanken und Erinnerungen, die Sorge um die Zukunft hielten ihn wach.
    Er überhörte, wie es an die Tür klopfte, wie diese sich öffnete und merkte erst auf, als eine Frauenstimme suchend rief: »Wohnt hier Herr Hartlaub?«

Juliettes Stimme?! Er glaubte, sich getäuscht zu haben. »Juliette?« kam es, unsicher fragend, von seinen Lippen.
    »Ja, Wilhelm! Ich komme, um dir zu helfen.«
    Er antwortete nicht.
    »Willst du nicht licht machen, damit ich dich sehen kann, Wilhelm?« Vergeblich suchte sie das Beben ihrer Stimme zu unterdrücken. Sein Schweigen begann sie zu ängstigen.
    Endlich klang es aus der finsteren Ecke zurück: »Wozu Licht, Juliette? Was du mir zu sagen hast, kannst du mir auch so sagen. Oder willst du etwa mit mir deinen Geburtstag feiern?« Er lachte laut heraus. »Ist er deiner überdrüssig geworden, der ehrenwerte Herr? Oder bist du gekommen, mich zu verhöhnen, du –?«
    Der drohend-verächtliche Ton seiner Stimme ließ sie erschauern. »Nein – nein, Wilhelm!« stotterte sie. »Es soll dir geholfen werden. Ich möchte dir ein Angebot machen ...«
    »Ein Angebot? Von dir – oder von ...?«
    »Ja – von Hopkins!«
    »Von Hopkins?« Hartlaub war aufgesprungen. »Du wagst es, den Namen hier auszusprechen! Den Namen des Mannes, der mein ganzes Unglück verschuldet hat!« Er riß ein Streichholz an, hielt es in die Höhe. »Sieh dich um, wie ich lebe! Ist es nicht herrlich hier? Guck mich an! Bin ich nicht schön, jung, frisch? Haha! Komm her! Umarme mich! Küsse mich! Wir wollen deinen Geburtstag feiern! ... Ah, du willst nicht? Ich bin dir nicht fein genug?«
    Sie hob bittend die Hand. »Um Gottes willen, Wilhelm! Sprich nicht so! Ich ertrage das nicht. Hör mich in Ruhe an!« Sie trat an Hartlaub heran, der auf einen Stuhl gesunken war. »Wilhelm! Du könntest nach Deutschland zurück. Vielleicht, daß ...« Ihre Augen hatten sich an das Halbdunkel gewöhnt. Sie sah, wie er sich ihr zuwandte und verstummte kurz, wie gebannt von seinem Blick. Dann fuhr sie zögernd fort: »Man wird in Deutschland weiter für dich sorgen. Dir unter anderem Namen eine Stellung bei den MEA-Werken verschaffen. Die Stellung wird gut, sehr gut bezahlt ...« Wieder hielt sie inne und wartete vergeblich auf ein Wort von ihm. »Welcher Art deine Tätigkeit dort sein wird, ist noch ungewiß. Aber sie wird gut bezahlt – sehr gut! Das sag’ ich dir noch einmal.«
    »Und weiter?« Hartlaub trat langsam an sie heran. Die Dunkelheit verbarg ihm die glühende Röte auf ihrem Gesicht. Und Juliette, in ihrer Erregung, ward des drohenden Untertons in seinen Worten nicht gewahr. »Sprich weiter!« drängte er. »Die Hauptsache kommt doch wohl noch?«
    »Du siehst dort als Chemiker sicherlich viel Interessantes. Dinge, für die man auch hier großes Interesse hat ...«
    Sie spürte seinen hastigen
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