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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk
Autoren: Hans Dominik
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Doktor, wie ich Ihnen danken soll. Ich kann Ihnen nur das Versprechen geben, daß ich Ihrer Empfehlung keine Unehre ...«
    Sie drückte flüchtig die Hand, die der Mann ihr dankbar entgegenstreckte. »Schon gut, Herr Wittebold! Dann also morgen früh! Pünktlich um acht!« —
    Am nächsten Tage wurde Wittebold von seinem Vorgänger in den Obliegenheiten seines Dienstes unterwiesen. Als sie mittags am Tor vorbeikamen, ließ Schappmann ihn beim Zeitungshändler ein paar Blätter kaufen. Schrieb auf jedes einen Namen und sagte: »Also an diese Herren liefern. Das Geld lassen Sie sich gleich wiedergeben.«
    Während Schappmann in das Verwaltungsgebäude ging, brachte Wittebold die Zeitungen in die Laboratoriumssäle. Er war gerade damit beschäftigt, ein paar leere Ballons zusammenzustellen, um sie mitzunehmen, als von Dr. Lehnerts Platz ein lauter Ausruf der Überraschung erklang.
    Lehnert sprang auf, die Zeitung in der Hand. »Kinder, zuhören! Eine große Neuigkeit, wenn’s keine Ente ist!« Alle Köpfe wandten sich zu ihm. »Ich lese da eben folgenden Bericht: ›Nach einer Meldung des Wiener Journals stehen die MEAWerke mit Dr. Moran von den Iduna-Werken in Wien in Unterhandlung, um ihn für sich zu verpflichten. Dr. Moran arbeitet in den Iduna-Werken an einem verbesserten Verfahren der Kautschuksynthese. Herr Dr. Moran war früher bei der Scotland Chemical beschäftigt, schied aber bei der Fusionierung der dortigen chemischen Industrie aus seiner Stellung. – Soweit die Meldung des Wiener Journals. Unser chemischer Mitarbeiter, Professor Janzen, der Kautschukspezialist ist, teilt uns dazu mit, das Moransche Verfahren sei ihm aus eigener Anschauung bekannt. Er messe ihm große Bedeutung bei ...‹«
    Einen Augenblick Stille. Dann brach es von allen Seiten los. »Unmöglich, undenkbar! Und davon weiß man hier bei uns gar nichts? Daß Fortuyn uns das nicht gesagt hat –!«
    »Ich bin überzeugt, für Fortuyn ist es ebenso eine Überraschung wie für uns«, warf Fräulein Dr. Gerland dazwischen. »Ja, dann muß er’s sofort erfahren!« rief Dr. Wendt.
    »Bitte, Herr Kollege!« Lehnert reichte ihm das Blatt hin. »Wenn Sie’s tun wollen ...«
    Wendt hielt die Hand verlegen zurück.
    »Na, ich seh’ schon, die Herren der Schöpfung sind alle zu feige!« meinte Tilly. »Muß ich’s ihm schon bringen! Geben Sie her, Kollege Lehnert!«
    Fortuyn war im Begriff, fortzugehen. Er hatte schon den Mantel an, als Tilly eintrat. »Nun, Fräulein Gerland, was haben Sie noch Schönes?«
    Tilly, die eben noch über den mangelnden Mut ihrer männlichen Kollegen gespottet hatte, bereute jetzt ihren raschen Entschluß. Sie stand verlegen. Daß gerade sie es sein mußte, die dem verehrten Chef eine solche Nachricht brachte –! Wenn er sie wirklich noch nicht kannte – wie würde er den Schlag aufnehmen?
    Das Zeitungsblatt entglitt ihren Händen. Fortuyn bückte sich danach. »Ist das für mich?«
    »Ja gewiß, Herr Doktor! Eine Nachricht darin ... Wir lasen sie eben im Laboratorium ... Unfaßlich! Keiner will es glauben.«
    »Nanu, Fräulein Gerland? Zeigen Sie mir doch den Artikel!«
    Er entfaltete das Blatt und las die angestrichenen Zeilen. Las sie noch einmal, wandte sich dann, ging mit schweren Schritten zum Schreibtisch und legte die Zeitung dort nieder. So sah Tilly nicht, welchen Eindruck die Nachricht auf ihn machte. Als er zurückkehrte, konnten Gesicht und Haltung einem Unbeteiligten unverändert erscheinen. Nur Tillys geschärftes Empfinden spürte die Wandlung: die Augen schmal zurückgekniffen, die Lippen aufeinandergepreßt, das ganze Gesicht schärfste Abwehr.
    »Die Nachricht, Fräulein Gerland, trifft mich ebenso überraschend wie Sie und Ihre Kollegen. Mein erster Gedanke: eine Zeitungsente. Jetzt« – er zuckte die Achseln – »halte ich’s nicht für unmöglich. Sie erinnern sich an meine wissenschaftlichen Fehden mit Professor Janzen, meinem Vorgänger? Sie endeten damit, daß er uns verließ. Aber er hat – das mußte ich schon mehrmals erfahren – einflußreiche Freunde, die zu ihm halten. Hier können Sie sehen, wie die arbeiten! Ich werde mich an geeigneter Stelle darüber informieren. Ihnen aber danke ich vielmals, Fräulein Gerland!«
    Als Fortuyn allein war, ging er ans Telefon und verlangte Verbindung mit Generaldirektor Kampendonk. Ärgerlich legte er den Hörer zurück. Der Geheimrat sollte schon vor einer Stunde das Werk verlassen haben.
    Er griff nach seinem Hut, da schrillte der Apparat.
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