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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk
Autoren: Hans Dominik
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drängte sich an seine Brust. Die Maske war gefallen. Hemmungslos floß über ihre Lippen, was ihr Herz so lange verschlossen. »Ich ertrag’ es nicht länger – dies Leben einer Verdammten! Wärest du nicht, wo wäre ich längst? Dich immer wiedersehen, deine Stimme hören! Für Tage gibt es mir Trost ... Wenn du wüßtest, was ich all die Zeit erduldet – wie ich gekämpft, mich gezwungen hab’ –! Oft, wenn du fortgingst und wir draußen standen, du den Mantel umhängtest – mein Herz nach dir schrie ... zerschlagen hätte ich den Spiegel mögen, der mir mein gemacht gleichgültiges Gesicht mit seinem ewigen Lächeln zuwarf. Deinen Arm hätt’ ich nehmen mögen und mit dir gehen – fort aus diesem Gefängnis! Der Folter entrinnen, die Leib und Seele martert!«
    Sie warf sich auf die Couch zurück. Ihr Weinen verstummte. »Verzeih, du Lieber! Ich konnte nicht länger ... Es war zuviel heute, was auf mich eindrang, mich alle Beherrschung verlieren ließ.« Sie schmiegte die Hand auf seinen Arm. »Das Fest heute abend ... Wochenlang hatt’ ich mich drauf gefreut. Heute morgen begann’s: Er sah wohl die Vorfreude bei mir. Mit Klagen und Sticheln und Jammern und Ächzen brachte er mich zur Verzweiflung. Das Festkleid, das ich gerade anprobiert hatte, riß ich mir in Fetzen, vom Körper, warf’s ihm vor die Füße ... Oh, er hat mich gequält!«
    Von neuem brach sie in Schluchzen aus, suchte Halt und Trost an seiner Brust ... Lange saßen sie so. Dann machte sie sich frei, sah ihm voll in die Augen. Ihre Blicke tauchten ineinander – und ihre Lippen fanden sich ... —
    Wochen, Monate waren verstrichen. Wenn Clemens Terlinden rief, kam Fortuyn, wie früher. Wie früher empfing ihn Johanna. Wie früher begleitete sie den Scheidenden. Doch niemals wieder fanden sich ihre Lippen im Kuß. Ein Druck der Hände nur – ein Winken der Augen ...
    Als Fortuyn jetzt eintrat, drängte Johanna ihn in das leere Herrenzimmer und legte den Arm um seine Schulter. »Du Liebster, du Armer, was hat man dir getan!«
    Angst und Sorge ließ sie die Schranken durchbrechen, die sie selbst stillschweigend zwischen sich errichtet hatten. Sie führte ihn zu einer Couch und setzte sich neben ihn. »Du wußtest es schon, als ich dich anrief?«
    Er nickte. »Eine Angestellte brachte mir das Blatt in mein Zimmer.«
    »Durch eine Angestellte! Oh, wie häßlich das alles! Was hast du gesagt? Was denkst du? Sprich doch!«
    Fortuyn fuhr mit der Hand beschwichtigend über ihre heiße Stirn. »Gewiß! Es ist ein böser Streich, den mir meine Gegner gespielt haben!«
    »Ein Schurkenstreich! Wie Kampendonk dazu seine Hand bieten konnte? Ich verstehe es nicht. Ich rief vorhin Onkel Düsterloh an, um Näheres zu erfahren, konnte ihn aber nicht erreichen.«
    »Hm – Düsterloh?« murmelte Fortuyn vor sich hin.
    »Du sagst das so zweifelnd? Meinst du, daß er vielleicht ...«
    »Ich traue ihm nicht. Daß er nicht mein Freund ist, weiß ich bestimmt. Und ich hab’ auch das Empfinden, daß er meine Besuche bei euch ungern sieht.« Er spürte, wie ihr Arm leicht zusammenzuckte. »Kampendonk war nicht mehr zu erreichen«, fuhr er fort. »Ich wäre sonst gleich zu ihm hin.«
    »Kampendonk?« fragte sie mit unruhiger Stimme. »Wie wirst du mit ihm sprechen?«

Er zuckte die Achseln. »Ebenso wie mit dir. Das eine weiß ich: Falls auch er sich in seinem Vertrauen zu meiner Arbeit hat erschüttern lassen, dann ...«
    »Wirst du fort von hier gehen? Wirst mich verlassen?« Sie umschlang ihn mit beiden Annen. »Nein – das nicht! Ich werde wahnsinnig, wenn ich hier allein bleibe. Ich gehe mit dir!«
    Er strich ihr das wirre Haar aus der Stirn, neigte sich zu ihr und sprach begütigend auf sie ein. Allmählich fühlte er, wie ihre Glieder weicher wurden und sie ruhiger atmete. Er zog sie sanft empor, legte den Arm um ihre Schulter, wandelte mit ihr im Zimmer auf und ab. »Wir dürfen Clemens nicht vergessen. Hast du mit ihm schon über alles gesprochen?«
    »Nein. Sein Befinden ist heute nicht gut. Es würde ihn sicher sehr erregen – unnötigerweise vielleicht ... Denn, Walter, du wirst ja gar nicht fortgehn. In meiner Angst sah ich wohl schwärzer als nötig. Man wird dich nicht ziehen lassen – wird dir goldene Brücken bauen ... Und wir werden zusammenbleiben, uns immer wiedersehn – und lieben!«
    Er hatte schon Abschied genommen, da raunte er ihr noch zu: »Hüte dich vor Düsterloh! Er ...«
    »Ich weiß«, flüsterte sie mit abgewandtem Gesicht
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