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Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Titel: Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch
Autoren: Michael Ondaatje
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Dear‹. Irgendwann wirst du dir diese ganzen Platten kaufen müssen.«
    Und das Sexleben. »Oh, Bash war ein echter Wiederholungstäter, immer wieder mit derselben Frau … Alle möglichen Frauen wollten ihn zähmen. Aber er war schon mit Sechzehn als Musiker herumgezogen und hatte Mädchen jeden Schlags und jeder Couleur kennengelernt.« Jeden Schlags und jeder Couleur! From Natchez to Mobile …
    Ich hörte zu, nickte verständnislos, während Mr. Mazappa dieses beispielhafte Leben und diese vorbildliche Musikerlaufbahn verklärte, als wären sie in das ovale Bildnis eines Heiligen gefasst.

Deck C
    ICH SASS AUF MEINER KOJE und blickte zur Tür und zu der Eisenwand. Am Spätnachmittag war es in der Kabine heiß. Ich konnte nur allein sein, wenn ich zu dieser Zeit herkam. Die meiste Zeit des Tages war ich mit Ramadhin und Cassius zusammen, manchmal mit Mazappa oder anderen Mitgliedern des Katzentischs. Nachts umgab mich oft das Geflüster der Kartenspieler. Ich musste ein bisschen zurückdenken. Wenn ich zurückdachte, konnte ich mich an den Luxus erinnern, wie es war, neugierig und allein zu sein. Nach einer Weile ließ ich mich zurücksinken und sah zu der Decke in etwa einem halben Meter Entfernung hinauf. Ich fühlte mich in Sicherheit, auch mitten auf dem Meer.
    Manchmal gelangte ich kurz vor Einbruch der Dunkelheit auf Deck C, wenn sonst niemand dort war. Ich wanderte zu der Reling, die sich in Höhe meiner Brust befand, und sah zu, wie das Meer am Schiff entlangrauschte. Bisweilen schien es fast bis zu mir zu reichen, als wollte es mich verschlingen. Ich regte mich nicht, trotz des Aufruhrs aus Furcht und Einsamkeit in meinem Inneren. Es war das gleiche Gefühl, wie ich es verspürt hatte, wenn ich mich in den engen Gassen des Pettah-Markts verirrt hatte oder mich in der Schule neuen, unbekannten Regeln anpassen musste. Wenn ich den Ozean nicht sehen konnte, war die Furcht gebannt, aber nun stieg das Meer im Halbdunkel, schloss das Schiff ein und umschlang mich. Doch so verängstigt ich auch war, ich rührte mich nicht von der Stelle am Rand der hereinbrechenden Dunkelheit, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch zurückzuweichen und dem Wunsch hineinzuspringen.
     
    Vor meiner Abreise aus Ceylon hatte ich einmal gesehen, wie ein Ozeandampfer am Ende des Hafens von Colombo abgefackelt wurde. Den ganzen Nachmittag hatte ich zugesehen, wie das Acetylen sich in die Seitenwände des Schiffs fraß. Mir kam die Erkenntnis, dass das Schiff, auf dem ich mich befand, ebenfalls zerlegt werden konnte. Als ich eines Tages Mr. Nevil begegnete, der sich mit solchen Dingen auskannte, zupfte ich ihn am Ärmel und fragte ihn, ob es auf dem Schiff sicher sei. Er erklärte mir, dass die Oronsay völlig solide sei, erst in der Mitte ihrer Laufbahn angelangt. Sie hatte im Zweiten Weltkrieg als Truppentransporter gedient, und an einer Wand des Laderaums gab es ein großes Wandbild in Weiß und Rosa von nackten Frauen auf Geschützlafetten und Panzern, das ein Soldat gemalt hatte. Es war immer noch da, ein Geheimnis, denn die Offiziere des Schiffs begaben sich nie in den Laderaum.
    »Und kann uns wirklich nichts passieren?«
    Er setzte mich hin und zeichnete auf die Rückseite eines der Schiffspläne, die er immer bei sich hatte, ein griechisches Kriegsschiff, eine Triere, wie er sagte. »Das war das größte Schiff auf den Meeren. Und auch dieses Schiff gibt es schon lange nicht mehr. Damit wurden die Feinde Athens bekämpft und unbekannte Früchte und Nahrungsmittel geholt, neue Wissenschaften, Architektur, sogar die Demokratie. Alles nur dank diesem Schiff. Es besaß keinen Schmuck. Die Triere war, was sie war: eine Waffe. Sie war nur mit Ruderern und Bogenschützen bemannt. Aber heute gibt es nicht den kleinsten Überrest von einer. Im Schlamm der Flussmündungen wird noch heute danach gesucht, aber gefunden hat man nie etwas. Sie waren aus Eschenholz und hartem Ulmenholz gebaut, der Kiel war aus Eiche, und frisches Kiefernholz wurde zur Form des Rumpfs gebogen. Die Planken wurden mit Leinenschnüren zusammengenäht. Kein Metall am ganzen Schiffsrumpf. Deshalb konnte man das Schiff auf dem Strand verbrennen, und wenn es sank, zersetzte es sich am Meeresgrund. Unser Schiff ist sicherer.«
    Aus irgendeinem Grund beruhigte mich Mr. Nevils Beschreibung eines alten Kriegsschiffs. Ich sah mich nicht mehr auf der geschmückten Oronsay , sondern auf einem kargeren, anspruchsloseren Gefährt. Ich war Bogenschütze oder Ruderer auf
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