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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond
Autoren: C Anlauff
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den Boden legen reicht, ich habe keine …«
    Unter Davids Ohr blitzte plötzlich etwas auf. Mit einem unterdrückten Fluch ließ er die Scherbe fallen. Dann ging er in die Knie.
    »Tiefer!« Ein weiteres Blitzen, und er lag auf dem Boden. Mit grimmigem Lächeln schwang sich die Medizinerin auf seinen Rücken. »Noch praktischer als Handschuhe sind Seziermesser«, sagte sie zu Liebermann. »In der Regel benutze ich das hier, um mir die Nägel damit zu reinigen. Also Vorsicht, junger Mann, es sind jede Menge Keime dran. Haben Sie Handschellen dabei?«
    »Nein«, sagte Liebermann baff.
    »Das ist schlecht. Elsa, wärst du dann so lieb, mir deinen Gürtel zu leihen?«
    Während die Rektorin mit steifen Fingern den Gürtel ihres Morgenmantels abwickelte, bohrte Dr. Genrich ihr Messer zwischen Davids Wirbel.
    »Knote ihn ordentlich fest«, befahl sie. »Die Dinger sind elastisch, und ich will nicht, dass das Schwein sich irgendwie rausfummelt.«
    Liebermann hockte sich neben David und betrachtete wehmütig die Sommersprossen auf seinem von Wut und Überraschung entstellten Gesicht. »So fällt ein Reich«, murmelte er.
    David grunzte etwas und versuchte nach ihm zu spucken.
    »Kleb ihm um Himmels willen den Mund zu!«, sagte Dr. Genrich zu Elsa. Liebermann winkte ab und deutete auf den Fahrradhändler. »Ein Krankenwagen wäre hilfreicher.«
    Er wartete, bis Elsa Laurent im Nebenzimmer verschwunden war, dann wandte er sich wieder an David. »Ich werde dich nicht fragen, wie es sich anfühlt, zu töten und die Morde danach einem Freund in die Schuhe zu schieben. Was ich dich aber frage, denn ich verstehe es nicht: Warum hast du nicht einfach die saubere Lösung gewählt?«
    David krümmte kaum sichtbar die Lippen. »Nämlich?«
    »Flucht. Zugegeben, keine besonders populäre Alternative, aber zuweilen die einzig sinnvolle. Vivian Kaiser war verheiratet, und sie hat ihren Mann geliebt. Dein Bruder hat das akzeptiert.«
    »Blödsinn«, presste David hervor. »Der war nur zu faul. Joseph hat ausschließlich Früchte geerntet, die ihm in die Hand gewachsen sind. Hätte er sich danach strecken müssen, wäre er glatt verhungert.«
    »Im Gegensatz zu dir«, sagte Liebermann mit keimendem Verständnis. »Du kämpfst, wenn du etwas willst, nicht wahr? Zum Beispiel hätte ich niemals an einem einzigen Nachmittag Bierzapfen gelernt. Mir fehlt schlicht der Sportsgeist. Mit dir verhält es sich anders: Je höher die Früchte, desto verlockender. Und die schöne Vivian war deinem Bruder längst außer Reichweite gewachsen. Zu seiner Verteidigung könnte man sagen, dass er sie wenigstens schon einmal gepflückt hatte, und sei es nur dank eines Fiats.« Er machte eine Pause. »Es muss bitter sein, die Gunst eines Mädchens an ein Auto zu verlieren.«
    Davids Lider flimmerten. Immerhin war der höhnische Ausdruck von seinem Gesicht gewichen und hatte etwas wie Interesse Platz gemacht.
    »Nun ja«, setzte Liebermann wieder an. »Die Zeiten ändern sich. Vivian Kaiser ist über die Autophase hinweg. Stattdessen sehnte sie sich nach einem Vertrauten, dem sie ihre Eifersucht gestehen konnte, die bohrende Ungewissheit darüber, ob ihr Mann eine Affäre hatte, wie sie es vermutete, oder nicht. Und wie durch ein Wunder erscheint da ein alter Jugendfreund auf der Bildfläche. Die Entstehung dieses Wunders sollte man bei Gelegenheit mal untersuchen, für meinen Geschmack grenzt es zu sehr an Zufall. Und für Zufälle hatte ich nie besonders viel übrig. Sei’s drum, wo waren wir? Ach ja: Durch ihr Dilemma rückte Vivian Kaiser plötzlich auch für dich wieder in Reichweite. Da eine unglückliche Frau weich wie ein Pfirsich ist, brauchtest du nur – unter dem Deckmantel alter Freundschaft, versteht sich – ein wenig für sie zu spionieren, und schon öffneten sich die Pforten ihres Hauses und ihres Herzens. Der Rest war beinahe noch einfacher: Eine ihrer Bemerkungen, die sie amMontag fallenließ, deutete darauf hin, dass Knut Kaiser von Natur aus eher rustikal war. Nun: Von dir erhielt sie Nackenmassagen. Er ging joggen und verdiente Geld, mit dir konnte sie reden. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass du jedes Defizit in Kaisers Persönlichkeit sorgsam ausgeglichen hast, wodurch sie seiner Frau vermutlich überhaupt erst bewusst wurden. Über kurz oder lang wärst du eine unentbehrliche Instanz in ihrem Leben gewesen, während du gleichzeitig ihre Ehe zwischen deinen Detektivfingern zerrieben hättest. Doch als es fast so weit war, als du
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