Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond
Autoren: C Anlauff
Vom Netzwerk:
aufgesetzt, der ihnen über die Strapazen der letzten und der folgenden Stunden hinweghelfen sollte. Als sie ihn ausschenkte, wachte Timmi auf.
    Mit ihrer neuen Stimme stellte Dr. Genrich ihm ein paar Fragen, die er offenbar zu ihrer Zufriedenheit beantwortete, denn sie half ihm in einen der zierlichen Sessel, wo er ebenfalls Kaffee bekam.
    Liebermann trank den seinen wie ein Reiter nach überstandener Schlacht, erschöpft, zufrieden und traurig zugleich. Nur David schlief. Oder tat so. Oder er war unter Liebermanns Gewicht erstickt. Auf seiner linken Wange bildete eine Gruppe Sommersprossen mit etwas Phantasie die Umrisse der DDR. Hinter dem Haus bellte Esteban. Kurz darauf kamen die Sanitäter.

20
    Bei dem Versuch, sich möglichst großräumig auszubreiten, hatte die Wolkendecke über der Havel ein wenig an Dichte eingebüßt. In Abständen lugten blaue Sprenkel aus dem Grau und erinnerten Liebermann an das Muster von Hauptkommissar Ottos Mütze.
    »Vielleicht kriegen wir wenigstens einen goldenen Oktober«, sagte Ralph und prostete Liebermann zu. »Das wär mir lieb, denn dann bleiben die Touristen länger, und für mich fallen noch ein paar Touren ab. Du könntest übrigens auch mal ein bisschen Stadtgeschichte vertragen.«
    Liebermann prostete lächelnd zurück. Seit der Stammtisch des Katinka zu einem äußerst informativen Vortrag in der Aphrodite eingeladen gewesen war, hatte sich das Gemüt seines Freundes merklich beruhigt.
    Besonders hatte Ralph ein Gedicht Constanzes beeindruckt, das eine Mitschülerin ihr zu Ehren vorgelesen hatte. »Wer so schreibt, muss ein reines Herz haben«, hatte er hinterher gesagt. »Umso weniger verstehe ich, wieso das Mädchen unbedingt Callgirl werden wollte.«
    »Sie wollte kein Callgirl werden«, hatte Liebermann erwidert. »Aber das mit dem Herzen stimmt.«
    Auch er war zufrieden. Nachdem er in der Rekordzeit von nur zwei Tagen zwei Morde aufgeklärt hatte, begegnete Müller ihm nicht mehr mit Verachtung, sondern mit achtungsvollem Hass, der in achtungsvoller Abneigung aufgegangen war, seit Liebermann ihn zu sich ins Büro gerufen hatte, um die versprochene Tracht Prügel in Empfang zu nehmen. Müller hatte einen Moment lang überlegt und ihm dann die Faust in die Magengrube gestoßen. Kommissarin Holzmann dagegen bewunderte ihrenChef haltlos, und Simon errötete jedes Mal, wenn er ihm begegnete. Liebermann fand, dass diese neue Aufstellung durchaus Potential hatte.
    Den Feinschliff seines Glücks jedoch besorgten die täglichen Spaziergänge an der Havel.
    Manchmal nutzte Liebermann sie zum Auffrischen seines Tomatenvorrats. Bei einer dieser Gelegenheiten war sein Blick auf eine Damenuhr an Feldmeyers Handgelenk gefallen. Der Lehrer hatte sie verlegen unter den Ärmel seines Pullovers geschoben und ihm einen Anzuchtkasten gezeigt, den Rolli gebaut hatte. Selbstverständlich auf Rädern. Nachdem Liebermann ihn gebührend bewundert hatte, war er nach Hause gegangen, um den letzten Post-it-Zettel des Falls Kaiser von der Pinnwand zu nehmen und ein abschließendes Telefonat mit Kaisers Sprechstundenhilfe zu führen.
    Nach kurzem Suchen hatte sie den Namen Feldmeyer in der Kartei gefunden. Sie konnte sich sogar an den dazugehörigen Patienten erinnern: einen schmächtigen Mann um die fünfzig, mit Cordhosen und Ringelsöckchen. Liebermann beließ es dabei, hoffte aber im Stillen, dass Feldmeyers nächster Hausarzt sich als vertrauenswürdiger erwies als der alte.
    Er lächelte Nico zu, die eben vom mittleren der Hausboote herabbalancierte. »Alles in Ordnung?«
    »Ich glaube, schon. Die Naht an der Lippe ist so gut wie verheilt, und der Kleine trinkt für zwei.« Sie zeigte auf Laura. »Sorgen mache ich mir eher um sie.«
    Seit ihrer Ankunft saß Laura auf der Kaimauer und starrte auf den Fluss. Liebermann seufzte. Es hatte ihn einiges gekostet, David so weit zu bringen, dass er seine Versuche mit der Katze gestand, obschon Dr. Genrich eine beeindruckende Dosis Belladonna aus ihrer Leiche extrahiert hatte. Na und, hatte er trotzig erwidert. Alles und jedes werde schließlich an Tieren ausprobiert, warum also nicht auch Gift. »Unter anderem, weil du derHeld meiner und Nicos Tochter bist«, hatte Liebermann erwidert. »Dich diesen Satz sagen zu hören würde ihnen das Herz brechen.«
    Vor allem aber hatte David Lauras Herz gebrochen. Zunächst hatte sie sich hartnäckig gegen die offensichtliche Wahrheit gewehrt. Selbst Davids Geständnis hatte daran nichts geändert. Ihrer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher